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„Harte“ Güter für Südafrika

Rede von Frau Barbara Simons, Mitglied des Europäischen Parlaments, auf der Aktionärshauptversammlung der Firma Daimler Benz von gestern  ■ D O K U M E N T A T I O N

(...) Meine Ausführungen beziehen sich sowohl auf Exportgeschäfte Ihres Hauses nach Südafrika als auch auf Lieferungen Ihres Tochterunternehmens Mercedes-Benz of South Africa im Geschäftsjahr 1988.

Seit knapp vier Jahren gelten in der Europäischen Gemeinschaft verbindlich beschlossene Einschränkugen im Handel und in den gesamten Beziehungen zu Südafrika. Das war die politische Antwort der Gemeinschaft auf die brutale Rohheit, mit der die Apartheidregierung den wachsenden und selbstbewußten Widerstand des südafrikanischen Volkes zu unterdrücken versuchte. (...) Angesichts dieser unerträglichen Situation und nach wiederholter Aufforderung durch das Europäische Parlament beschloß der Außenministerrat im September des Jahres 1985 einstimmig bestimmte Maßnahmen gegen Südafrika.

Laut Informationen eines führenden Mitarbeiters Ihres Hauses bei einem Vortrag in Ulm am 1. März dieses Jahres seien im Geschäftsjahr 1988 erneut Unimogs nach Südafrika geliefert worden. In den letzten 15 Jahren sind ungefähr 6.000 solcher Unimogs vom südafrikanischen Militär gekauft worden; allerdings, wie Ihre Firma stets beteuert, nicht direkt von Daimler Benz, sondern über Zwischenhändler. Es ist allgemein bekannt, daß diese Fahrzeuge noch heute das Rückgrat der südafrikanischen Armee bilden, sowohl in ihrer ursprünglichen Form als auch in verschiedenen in Südafrika abgeänderten Versionen. Aufgrund dieser Sachlage muß ich diese Fahrzeuge unbedingt unter die Güter einreihen, die von der Europäischen Gemeinschaft als „sensitiv“ eingestuft sind und deren Export nach Südafrika verboten ist.

Diese Einstufung wird auch durch eine Bewertung des Bundeskartellamts gestützt. In dem Beschluß zur Fusion Daimler-Benz/Messerschmitt-Bölkow-Blohm vom 17.April 1989 definiert die Behörde Güter, die einen spezifischen militärischen Ruf erfüllen, als „harte“ Güter, also als Rüstungsgüter. Das Bundeskartellamt stellt in dem Beschluß weiter fest: „LKWs, die für militärische Zwecke geringfügig modifiziert werden, sind bereits zu den 'harten‘ Gütern zu zählen.“ Ich möchte Sie daher fragen, ob Sie für die Ausfuhr der Unimogs, die im Geschäftsjahr 1988 nach Südafrika geliefert wurden, eine ausdrückliche Erlaubnis des Bundesamtes für Wirtschaft erhalten haben. Angesichts der Beschlußlage der Europäischen Gemeinschaft macht es mich betroffen, in dem bekannten Waffenangebotskatalog Jane's Armour and Artillery 1987/1988 von Mercedes-Benz Fahrzeugteilen zu lesen, die in südafrikanische Militärfahrzeuge eingebaut wurden. (...)

Diese Tatsachen sind Ihnen schon bei der letztjährigen Hauptversammlung im Hinblick auf das Geschäftsjahr 1987 zur Kenntnis gebracht worden. In Ihrer Antwort auf die Vorwürfe, Herr Dr. Reuter, haben Sie erklärt, daß keinerlei Lieferungen dieser Art an das südafrikanische Militär, an den staatlichen Rüstungskonzern Armscor oder Konzerngesellschaften von Armscor oder an andere miltärische Kunden in Südafrika gegangen sind.

Nicht beantwortet haben Sie Herrn Mintys Frage, wie viele solche Teile im Laufe des Jahres überhaupt an Kunden in Südafrika gegangen sind. Und hier liegt das Problem. Im Laufe des jetzt vergangenen Jahres haben Produkte Ihrer Firma erneut gegen die Bestimmungen des Rüstungsembargos ihren Weg zu den südafrikanischen Streitkräften gefunden, obwohl Sie angeblich an keine militärischen Kunden liefern. Das bedeutet, daß Sie Güter exportieren an Firmen, die Ihre Produkte nachher in Militärfahrzeuge einbauen.

Nun stellt sich die Frage Ihrer Bereitschaft, den in der Europäischen Gemeinschaft und folglich auch in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Bestimmungen in vollem Umfang nachzukommen. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß die Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 25 des Grundgesetzes zur Einhaltung völkerrechtlich verbindlicher Bestimmungen verpflichtet ist und daß in einer Debatte im Bundestag am 21.Juni 1988 der Parlamentarische Staatssekretär Herr Würzbach erneut versichert hat, daß die Bundesrepublik die Bestimmungen des Rüstungsembargos völkerrechtlich verpflichtend anerkennt.

Von bundesdeutschen Firmen, die Güter an Südafrika liefern, wird also erwartet, dafür Sorge zu tragen, daß Güter, die unter dieses Embargo fallen, unter keinen Umständen das Militär oder die Polzei erreichen. Natürlich trägt hier die Bundesregierung die Verantwortung, eine entsprechende Kontrolle auszuüben, um sicherzustellen, daß geltende Gesetze und verpflichtende Bestimmungen eingehalten werden. Eine Firma von der Größe und Bedeutung wie Daimler-Benz würde es aber wohl kaum darauf ankommen lassen, die Verantwortung für ihre Geschäftsmoral der Regierung zu überlassen, nach dem Motto: Wo kein Kläger, da kein Richter. In diesem Sinne verstehe ich auch folgende Aussagen von Ihnen, Herr Dr. Reuter, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir bestätigen könnten.

In der 'Stuttgarter Zeitung‘ vom 21.Februar werden Ausführungen von Ihnen vor der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Neckar zitiert. Der Journalist schreibt: „Die Position der chemischen Industrie, wonach die Unternehmen in Zweifelsfällen auf Lieferungen verzichten sollen, selbst wenn der Export gesetzlich noch nicht verboten ist, hält Reuter für beinahe selbstverständlich.“ Zitat - von Ihnen, Herr Dr. Reuter - : „Ich denke, so handeln auch die Unternehmen anderer Branchen. Zumindest für das Haus Daimler -Benz verhält es sich so.“ Und weiter schreibt der Journalist, daß Sie moralische Grenzen für den Rüstungsexport sehen, und er zitiert erneut: „Wenn nämlich Lieferungen an Staaten gehen, bei denen auch nur der geringste Verdacht besteht, daß sie sie nützen, um andere anzugreifen.“

Südafrikas Aggressionen gegen seine Nachbarstaaten, seine Angriffe auf Lesotho, Swaziland, Botsuana, ja sogar auf Sambia und Simbabwe, seine langjährige militärische Intervention in Angola, die illegale Besetzung Namibias sind genügend dokumentiert und immer wieder Gegenstand internationaler Verurteilungen gewesen. Für diese kriegerischen Überfälle braucht die südafrikanische Armee leistungsstarke Fahrzeuge, wie der Generaldirektor von Armscor in einem Interview am 24.April 1988 erklärte: „Wir müssen über die Grenze angreifen und uns schnell zurückziehen können, bevor die internationale Gemeinschaft reagieren kann.“

Gestatten Sie mir dazu drei Fragen, Herr Dr. Reuter, um deren Antwort ich Sie bitte.

Erstens: Sind Sie in der 'Stuttgarter Zeitung‘ korrekt wiedergegeben worden? Wenn ja, würde das bedeuten, daß Ihr Haus Situationen anerkennt, in denen es sogar ohne gesetzliche Verbote moralische Gründe für einen Exportverzicht gibt? Erkennt Ihr Haus somit eine eigene Verantwortung an, selbst wenn der Gesetzgeber aufgrund fehlender Information oder aus Überlastung oder anderen Gründen kein konkretes Verbot bei einzelnen Exporten ausgesprochen hat?

Zweitens: Wenn die 'Stuttgarter Zeitung‘ Sie korrekt zitiert hat und wir Ihnen einwandfrei nachweisen können, daß Daimler-Benz-Erzeugnisse oder Erzeugnisse Ihres Tochterunternehmens Mercedes-Benz of South Africa tatsächlich durch Dritte an südafrikanisches Militär oder südafrikanische Polizei weitergeliefert werden, kann ich dann davon ausgehen, daß Sie Maßnahmen ergreifen werden, um dies zu verhindern?

Drittens: Wären Sie dann bereit, mir die Informationen zu geben, die Sie Herrn Minty vorenthalten haben, nämlich eine Liste von Ihren Kunden und denen von Mercedes-Benz of South Africa in bezug auf die oben genannten Fahrzeuge und Fahrzeugteile? Wir wären dann unsererseits in der Lage, Ihnen Hinweise zu geben darüber, welche Firmen Weiterlieferungen an Armscor tätigen. (...) Ich bitte Sie um Beantwortung der gestellten Fragen im Geiste der Kooperation, ich bitte Sie vor allem um die Beendigung aller Geschäfte mit der Apartheid!

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