: Ein Lehrbuch für Schlitzohre
■ Bremer Gewerkschaftsverlag bringt ein Anti-Kündigungsbuch heraus
Der neue, kleine Bremer Gewerkschaftsverlag hat eine Ader fürs Praktische. Sein erster Steich war ein „Gestaltungskoffer“, mit dem Initiativen und Betriebsgruppen ihre Flugblätter und Zirkulare schneller und schöner zum Druck kriegen sollen. Und jetzt kommt ein richtiges Buch in die Buchläden, vollgestopft mit praktischen Tips, wie sich ArbeiterInnen und Angestellte gegen Kündigungen zur Wehr setzen können.
Aber nicht nur Tips gibt es in dem Buch, sondern auch spannende Geschichten: Arbeitsgerichts-Prozesse, die in den vergangenen Jahren in Bremen für Aufsehen sorgten und bei denen die Gefeuerten ihre Arbeitsplätze von ihren Chefs zurückerobern konnten. Das Klopfen auf die eigene Schulter ist somit kaum vermeidlich, denn die Autoren sind teils auch die Akteure: Der schlit
zohrige Hafenbetriebsrat Hans-Joachim Schramm, der Personalrat aus dem Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Alfred Lorenz sowie der Rechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz. Endredaktion hatte der Verleger selbst, der frühere ÖTV -Sekretär Klaus Kellner.
Was den Ratgeber von anderen arbeitsrechtlichen Leitfäden unterscheidet: Unter der Zwischenüberschrift: „Um die Ecke gedacht“, werden die Grenzes des fachidiotisch-juristischen Denkens überschritten. Wenn der Chef einen widerspenstigen Betriebsratsvorsitzenden wegen Alkohol und Tätlichkeiten am Kanthaken hat und rauswerfen will, warum ihn dann nicht mit seinen ständigen Verstößen gegen die gesetzliche Arbeitszeitordnung erpressen? So praktiziert im Sommer 1985 im Hafen - mit Erfolg. (vgl taz vom 27.7.85) Der Betriebs
ratsvorsitzende konnte Job und Amt behaupten - die unzumutbaren Arbeitszeiten allerdings gibt es im Hafen nach wie vor.
Oder der lange Kampf gegen die Kündigung der Betriebsrätin Kirsten Tilmann. Sie kandidierte zum Betriebsrat, obwohl sie entlassen war. Nicht zur Arbeit, wohl aber zwecks Wahlkampf wurde sie durchs Werkstor gelassen. Schließlich gewählt, aber immer noch ohne Job, durfte sie an den Betriebsratssitzungen teilnehmen und wurde letzten Endes in alle ihre Rechte wieder eingesetzt. Wer so etwas durchstehen will, der muß die betrieblich Interessenvertretung als phantasievollen Guerillakampf verstehen, und dazu wollen die Autoren ihre Leser ermutigen.
mw
„Kündigungen erfolgreich verhindern“ Gewerkschaftsverlag Klaus Kellner. 238 Seiten, 48 Mark
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen