Schwarzer Tag für die Frauen

Entscheidung des US-Gerichtshofes hat schwere Folgen für das Recht auf Abtreibung  ■ K O M M E N T A R E

Dieser Montag, an dem das höchste Gerichtder USA entschied, Raubbau am verfassungsmäßigen Recht auf Abtreibung zuzulassen, wird als schwarzer Tag in die Geschichte der US -amerikanischen Frauenbewegung eingehen. Sie erlitt damit eine ähnlich schwere Niederlage wie die Frauen in der Bundesrepublik, als die Karlsruher Richter 1975 die Fristenlösung für verfassungswidrig erklärten.

Nur auf den allersten Blick erscheint das US-amerikanische Urteil moderat. Denn das Recht auf Abtreibung wird formal nicht angetastet. In der Praxis aber müssen Frauen künftig einen Hindernislauf bewältigen, der hierzulande nur zu sattsam bekannt ist. In den Schubladen einige Dutzend Bundesstaaten liegen restriktive Gesetze bereit. Besonders einschneidend ist dabei, daß Bundesstaaten das Recht zugestanden wird, Abtreibungen in öffentlichen Kliniken zu verbieten. Diese Entscheidung trägt indirekt dazu bei, rassisistische Diskrimierung zu verschärfen. Denn die Armut ist in den USA weiblich und schwarz.

Die LebenschüterzInnen in den USA werden noch mehr Aufwind bekommen. Und sie sind militant. Noch wenige Stunden vor dem Urteil verübten sie einen Bombenanschlag auf eine Abtreibungsklinik in New Hampshire. Der „Feldzug“ der AbtreibungsgegnerInnen geht mit neuer Energie weiter, einen „Etappensieg“ haben sie errungen. Das jetzt anerkannte Anti -Abtreibungsgesetz aus Missourri trägt ihre Handschrift. Darin ist festgeschrieben, daß das Leben des Menschen mit der Empfängnis beginne. Und das ist das Kernstück ihres Kampfes: Der Fötus bzw. schon der Embryo soll als menschliches Lebewesen anerkannt werden, das deshalb von Beginn an vom Staat zu schützen ist und den Status eines Rechtssubjekts erhält. Bis jetzt galt in den USA, daß der Fötus erst dann staatlichen Schutz genießt, wenn er außerhalb des Körpers der Frau überlebensfähig ist. Können sich die Fundamentalisten mit ihrer Lebensdefinition juristisch durchsetzen, wird die US-amerikanische Fristenregelung zwangsläufig obsolet.

Genau dies geschah 1975 in der Bundesrepublik. Die Verfassungsrichter erklärten, daß der „Lebensschutz der Leibesfrucht“ grundsätzlich Vorrang vor dem Selbstbestimmgungsrecht der Frau genieße und es Aufgabe des Staates sei, den Embryo zu schützen - „auch gegenüber der Mutter“. Deshalb wurde die Fristenlösung verworfen und das Indikationenmodell eingeführt. Den Beginn menschlichen Lebens setzten die Richter damals mit vierzehn Tagen nach der Empfängnis an. Gerade die aktuelle Entwicklung in der Bundesrepublik - Stichwort Memmingen - zeigt, wie verheerend es ist, wenn der „Lebensschutz“ des Embryos gesetzlich verankert wird.

Helga Lukoschat