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Bremens Himmel voller Arschgeigen

■ Landesmusikrat kritisiert Profilierungssucht beim Musikfest / Mit 1 Million „falsche Akzente“ / Heute: Musica Antiqua mit Imbiß

Wo politische Erfolgs-Meldun- gen ausbleiben, bietet sich die Kultur als herrschaftliche Bühne an - der Bremer Bürgermeister macht zunehmend auf Kultur. „Der Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen Bürgermeister Klaus Wedemeier und Frau Ute Wedemeier beehren sich, Sie zur einführenden Veranstaltung zum 'Musikfest Bremen‘ am 6. Juli in die Obere Halle des Rathauses einzuladen“, steht auf einer Einladungskarte an ein handverlesenes, prominentes Bremer Publikum. Für mehr als 1 Million Mark werden an vier Wochenenden im Oktober internationale Namen sich die Klinke in die Hand geben - „erstmals“ werde in Bremen damit ein „Musikfest mit überregionalem Anspruch unter Mitwirkung international bedeutender Künstler und Ensembles veranstaltet“, steht auf der Einladung ins Ratshaus. Ziel sei es, „neue Impulse für das Bremer Musikleben“ zu geben und „die Erhöhung der Attraktivität unserer Stadt“.

Diese Sprache hat den Landesmusikrat Bremen auf den Plan gebracht. Die Organisation, die die musikschaffenden Bremer Institutionen und Einzelpersonen vertritt, protestierte: „Bitte lassen

Sie nicht zu, daß in Bremen bisherige künstlerische Leistungen aus In-und Ausland im Zusammenhang mit dem Musikfest diskriminiert werden“. Die prominente Gruppe „Musica Antiqua Köln“ die heute Abend zum Empfang ins Rathaus kommt, war gerade vor 6 Wochen noch in Bremen bei einem Musikfest mit „überregionalem Anspruch“ und 30jähriger Tradition, bei der „pro musica antiqua“. Die Werbe-Formel zeige, so der Landesmusikrat, „die völlige Unkenntnis der Verantwortlichen von der Bedeutung des Bremer Musiklebens“.

Am 12. Juni hatte der Landesmusikrat seine Kritik an dem „Musikfest“ in einem geharnischten, grundsätzlichen Brief erläutert. Denn während die Bremer Kultur weit von den 3% Anteil am Landeshaushalt entfernt ist, den der Städtetag fordert, wird im Oktober eine Menge Geld - letztlich stammt es aus Rundfunkgebühren - ausschließlich an auswärtige Künstler vergeben. „Aus Profilierungssucht“ würden „falsche Akzente gesetzt“, empört sich der Verband der Musikschaffenden Bremens, Bremen beteilige sich nur an der „überflüssigen Festivalinflation“, das Geld fließe im wesent

lichen nach außen, anstatt das Bremer Musikleben „an der Basis finanziell zu stärken und attraktiv zu machen“. Dort fehle es „auf allen Gebieten seit Jahren am Nötigsten“.

Das Konzept des Musikfestes ist in CDU-regierten Städten wie Frankfurt, Berlin oder Stuttgart abgeguckt. Aus Frankfurt hatte sich das Fest-Büro auch als Geschäftsführer Herrn von Bausznern geholt, Daimler Benz sollte ihn bezahlen - inzwischen ist von Bausznern fristlos hinausgeworfen und der Fall vorm Arbeitsgericht. „Die Gründe“ für ein derart zusammengekauftes Musik-Programm, so der Landesmusikrat, „können nur im Provinzialismus

einiger staatlicher Kulturfunk tionäre zu suchen sein, die unfähig sind, die Qualität und Vielschichtigkeit unseres Musiklebens zu erkennen und zu beurteilen“.

Das „Bremer Musikleben“, dem neue Impulse gegeben werden sollen, verliert mehr und mehr die Lust an dem gigantischen Aufmarsch internationaler Prominenz und reagiert verstimmt bis verärgert. Im Vorstand des Landesmusikrates und mit ihrem Namen unter der Musikfest-Kritik stehen der Abteilungsleiter „Ernste Musik“ von Radio Bremen, Klaus Bernbacher, der Leiter des Verbandes deutscher Schulmusiker, Horst

Menzel, das frühere Vorstandsmitglied des Verbandes der Liebhaber-Orchester, Prof. Wolfgang Schäfer, der Radio -Bremen-Redakteur Peter Schulze-Carstensen und der Bremer Klavierbauer Otto Thein. „Die wollen in allen Städten an den Litfaßsäulen hängen“, erzürnt sich Klaus Bernbacher. Kultur werde ausgerechnet von den Polikern zur „Erhöhung der Attraktivität unserer Stadt“ mißbraucht, die das Image Bremens ruiniert haben.

Und wo „Musica Antiqua Köln“ zum Image-Projekt verkommt, stört es nicht, wenn dazu - wie heute abend im Rathaus - ein Imbiß angekündigt ist.

K.W.

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