: Bomber-Salat in der Nato
Bonn (taz) - In der Nato wird geschummelt. Die Frage ist nur: Wer schummelt am meisten und warum? Es geht um die Zahl der Kampfflugzeuge in Westeuropa, die nach dem Brüsseler Vorschlag von Präsident Bush auf dem Verhandlungsweg um 15 Prozent reduziert werden könnten. Aber wieviele sind es jetzt überhaupt?
Die westeuropäischen Nato-Staaten gaben die Zahl ihrer Bomber nach Washington durch, im Pentagon wurden die eigenen dazu addiert, herauskamen 4.914. Da müßten 900 von den Europäern weggemogelt worden sein, befand der CIA, denn es seien in Wirklichkeit 5.840. Die Franzosen hätten zum Beispiel einige ihrer modernen „Mirage„-Bomber zu Transportflugzeugen umdefiniert, damit sie nachher nicht so viel abrüsten müßten. Und Bonn habe Kampfflugzeuge, die gerade in Reparatur waren, rausgelassen. Soweit die amerikanische Version des Vorgangs.
Das Bonner Verteidigungsministerium räumt ein, die Zahlendifferenz sei so groß gewesen, als ob „einige Geschwader vom Himmel gefallen“ wären. Nach Bonner Sicht geht es dabei vor allem um „Definitionsprobleme“. Es werde eben bisher unterschiedlich interpretiert, was ein Kampfflugzeug ist. Und wenn man jedes „Schulflugzeug“ mitzählen müsse, dann kämen natürlich am Ende mehr heraus, argumentiert Hardthöhen-Sprecher Peter Monte.
Oppositionsabgeordnete in Bonn haben aber aufgrund eines Berichts in der 'Washington Post‘ einen ganz anderen Verdacht geschöpft. Das US-Blatt meldete die Angelegenheit nämlich in folgender Form: Die Zahl der in Westeuropa stationierten Bomber sei „stillschweigend“ um mehrere hundert gestiegen und werde sich in diesem Monat, US -Dokumenten zufolge, um weitere Hunderte erhöhen. Auch bei Panzern, Truppentransportern und Artillerie würden die Zahlen „angepaßt“. Die Mitglieder im Verteidigungsausschuß Gernot Erler (SPD) und Alfred Mechtersheimer (Grüne) schlußfolgern daraus, daß die Nato einen „skandalösen Betrug der Öffentlichkeit“ bei den Wiener Verhandlungen im Schilde führt. Entweder seien klammheimlich zusätzliche Waffen stationiert worden oder aber, so vermutete Mechtersheimer gestern, es werde an den Zahlen „manipuliert“: Damit bei einer prozentualen Reduzierung der Waffen nachher mehr übrig bleibe. Beide Abgeordnete verlangen von der Bundesregierung Aufklärung über den Vorgang. Auf der Hardthöhe winkte man gestern ab: Die Empörung der Parlamentarier beruhe auf einem „Irrtum“.
Charlotte Wiedemann
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