: „Dazu beitragen, die Situation zu entschärfen“
■ Die umstrittene GEW-Vorsitzende Ingeborg Uesseler-Gothow nimmt Stellung zur Kritik an ihrer SEW-Mitgliedschaft: Ich mißbrauche nicht die Gewerkschaft für die Partei / Kritiker nähmen Veränderungen in der SEW „nicht zur Kenntnis“
Sie sei zuversichtlich, die Mitglieder der GEW davon überzeugen zu können, daß „ich die Gewerkschaft nicht für die Partei benutzte und mißbrauche“, erklärte die neue GEW -Vorsitzende Ingeborg Uesseler-Gothow in einem Gespräch mit der taz. Seit ihrer Wahl Ende Mai gibt es wegen ihrer Mitgliedschaft in der SEW heftige Auseinandersetzungen in der Lehrergewerkschaft. (taz vom 5.7.) Zwar habe sie derartige Diskussionen erwartet, doch „nicht auf diese Weise“, sagte Frau Uesseler-Gothow zum harschen Stil des Streits. Das habe sie „ein bißchen deprimiert“. Sie halte es auch für die GEW „schädlich“, wenn durch eine solche Debatte „die Akzeptanz von Wahlen untergraben wird“. Die GEW -Vorsitzende machte ihren innergewerkschaftlichen Kritikern den Vorwurf, die vor der Wahl angebotenen Gespräche nicht wahrgenommen zu haben.
Die Forderung des GEW-Bezirks Zehlendorf, sie hätte ihre im dritten Wahlgang mit denkbar knappem Ergebnis erfolgte Wahl nicht annehmen dürfen, weist sie zurück. Die Zehlendorfer Gewerkschafter werfen ihr außerdem vor, sie repräsentiere nicht „die große Mehrheit“ der Mitglieder; bei einer Anwesenheit aller Delegierten wäre sie unterlegen. Es seien „so viele Delegierte dagewesen wie nie“, verteidigt die Tempelhofer Personalratsvorsitzende ihre Wahl: „Die mich nicht wollten, waren sicherlich da.“
„Ich gebe mich noch nicht geschlagen, aber gehe auch mit dem Kopf nicht durch die Wand“, betont die GEW-Vorsitzende. Sie habe sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäußert, weil die Debatte „noch nicht so scharf war“. Außerdem habe es nur eine „Anhäufung von Vorwürfen“ gegeben, die „nicht Diskussionsgrundlage“ sein könnten. Nach dem Austritt von rund zwei Dutzend Mitgliedern und der Rücktrittsaufforderung durch einzelne Landesvorstandsmitglieder wolle sie nun aber „dazu beitragen, die Situation zu entschärfen und verbessern“. Dies soll neben Einzelgesprächen auch im Verbandsorgan 'Berliner Lehrerzeitung‘ geschehen, wegen der Sommerferien allerdings erst im Herbst.
Der GEW-Vorsitzenden war in mehreren offenen Briefen heftig für ihre Mitgliedschaft in der SEW kritisiert worden. Unter anderem hatte der Lehrer und ehemalige AL-Abgeordnete Wolfgang Schenk bezweifelt, daß Ingeborg Uesseler-Gothow „glaubwürdig für die Verteidigung demokratischer Rechte eintreten“ könne, weil die SEW ein „loyaler(r) Wurmfortsatz“ der „stalinistischen SED-Politik“ sei. Wegen ihrer SEW -Mitgliedschaft war auch der Wissenschafts-Staatssekretär Kremendahl (SPD) aus der GEW ausgetreten, die in Berlin knapp 13.000 Mitglieder hat.
Bei der Frage, wo sie sich beim Streit zwischen Alt -Stalinisten und den sogenannten „Erneuerern“ in der SEW und DKP einordne, lehnte es Frau Uesseler-Gothow ab, „mich in eine Schublade zu packen“. Sie machte ihren Kritikern den Vorwurf, neue Entwicklungen in der SEW „nicht zur Kenntnis zu nehmen„; schränkte aber ein, die SEW sei ein „abgeschotteter Verein“, bei dem „Veränderungen schlecht nach außen dringen“. Deshalb würden „Erneuerer“ in der SEW „weniger bemerkt“. Frau Uesseler-Gothow verwies auf die kürzlich verabschiedete SEW-Erklärung zu China, bei der die dortigen Machthaber eindeutig verurteilt werden. Sie verurteilte zugleich das Lob der DDR-Führung für die Niederschlagung der Demokratiebewegung in China. Es gebe „viele Punkte“ bei der gegenwärtigen Umwälzung in den sozialistischen Ländern, zu denen sie „positiv“ stehe; es gäbe jedoch Entwicklungen - sie nannte die ungarischen Pläne hin zu Privatunternehmen und Mehrparteiensystem -, „die ich nicht unterstütze“. Das „Aufbrechen des Nationalismus“ in den Teilgebieten der Sowjetunion bewertete sie als „Katastrophe“. Kritisch äußerte sie sich zur Bewertung der Atomkraft in den kommunistischen Parteien: Die „einfache Sichtweise“ - im Westen schlechte, in den sozialistischen Länern gute AKWs - sei „noch nicht eine Parteiposition, die befriedigen kann“.
Frau Uesseler-Gothow betonte, man müsse bei einer Veränderung der SEW „etwas geduldiger“ sein, doch setzten sich gegenwärtig „deutlich andere Kräfte durch“. Die Parteiausschlüsse von „Erneuerern“ in der DKP nannte sie „dumm“ und einen „verzweifelten Versuch, Diskussionen draußen zu halten“.
Die „Genossen können nur Fortschritte machen, wenn man mit ihnen redet“, ist die GEW-Vorsitzende überzeugt. Sie habe mit ihrer Kandidatur auch dazu beitragen wollen, daß die „Diskussion in der breitgefächerten Linken interessanter wird“. Im Vordergrund stehe freilich ihre Arbeit als GEW -Vorsitzende.
Sie wisse es nicht, könne aber „nicht ausschließen“, daß über ihre Kandidatur im SEW-Parteivorstand gesprochen worden sei, wie kolportiert wird. Ihre Bewerbung um den Vorsitz aber sei eine „persönliche Entscheidung und kein Parteiauftrag“. Sie habe die Hoffnung auf eine „differenziertere“ Diskussion in der GEW, könne es aber nicht akzeptieren, daß „man auch für die SEW verantwortlich ist“. Ein Austritt aus der SEW käme für sie nicht in Frage. „Wenn ich das im Hinterkopf hätte, dann hätte ich mir vieles ersparen können“, sagte Frau Uesseler-Gothow. Außerdem fände sie einen solchen Schritt aufgrund von geäußerter Kritik „opportunistisch“. Zudem würde es die „Diskussion nicht verändern“.
Gerd Nowakowski
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