: Feministische Utopien im Planquadrat
Fraueninteressen werden bei Planung von Häusern und Städten nicht berücksichtigt / Testfall Iba Emscherpark im Ruhrgebiet: Planerinnen und Frauenbeauftragte wollen Frauenfeindlichkeit zu einem Prüfkriterium machen / Wichtige Iba-Posten sollen mit Frauen besetzt werden ■ Von Margret Lünenborg
Bereits im vergangenen Jahrhundert haben feministische Utopistinnen in Kalifornien und Mexiko Konzepte für Häuser und Städte entworfen, mit denen sich die Rolle der Frauen grundlegend ändern sollte. In „küchenlosen Häusern“ wurde die Wäsche, das Kochen und Essen gemeinschaftlich geregelt. Für einzelne Appartementhäuser oder auch für eine ganze Stadt entwarfen Planerinnen wie Melusina Fay Peirce oder Marie Stevens Howland Modelle, durch die bislang privat (und unbezahlt) geleistete Arbeit von Frauen gesellschaftlich organisiert werden sollte.
Doch die Pläne für diese Utopien blieben zumeist in der Schublade liegen. Schule gemacht hat statt dessen die mittlerweile klassische „Frankfurter Küche“, die noch heute als Vorbild für Einbauküche und Küchenzeile dient. Sie sorgte für den Einzug des Taylorismus in den Privathaushalt: in kürzester Zeit auf kleinstem Raum möglichst effektiv arbeiten.
Heute gehen feministische Planerinnen und Architektinnen daran, die Pläne ihrer Vorgängerinnen wiederzuentdecken. Auch wenn deren Visionen einer zentral versorgten Stadt heute technizistisch anmuten, bieten diese Ideen immerhin Ansätze, um auf frauenspezifische Planungsformen zurückzugreifen.
Noch immer ist nämlich die Planung von Häusern und Städten eine nahezu ausschließliche Männerdomäne. „Lediglich vier Prozent aller berufstätigen Architekten sind weiblichen Geschlechts“, konstatierte die Berliner Professorin für Umweltgestaltung Kirstin Dörhöfer beim dritten Planerinnentreffen in Kassel.
Seit elf Jahren haben sich die Fachfrauen aus Planung und Architektur ein Netzwerk geschaffen, in dem sie sowohl die eigenen beruflichen Perspektiven diskutieren als auch feministische Ansätze innerhalb der Stadt- und Landschaftsplanung entwerfen. Mittlerweile, so stellen die Veranstalterinnen der Tagung fest, werden in allen Feldern der Profession emanzipatorische Inhalte formuliert. Frauen sind Expertinnen
Ein Beispiel sind besondere Formen der Bürgerinnenbeteiligung: Obschon den meisten PlanerInnen bewußt ist, daß Frauen die „Expertinnen im Stadtteil“ sind, blieb ihr Wissen bei Planungsvorhaben zumeist unberücksichtigt. Die klassischen Formen der Bürgerversammlung sprechen fast ausschließlich Männer an, die sich gerne in öffentlichen Veranstaltungen produzieren. Frauen, die viel intensiver im Stadtteil leben, blieben stumm oder kamen erst gar nicht.
Planerinnen haben nun versucht, mit Bewohnerinnen dort ins Gespräch zu kommen, wo sie sich alltäglich aufalten: im Frauentreff, in der Kindergartengruppe oder beim Altennachmittag. Durch diese Gespräche konnten Frauen ihre Bedürfnisse an die Gestaltung ihrer Umgebung formulieren, und den Planerinnen stand ein Alltagswissen zur Verfügung, das durch keine andere wissenschaftliche Methode verfügbar gewesen wäre. Natürlich bleibt zumeist noch ein erheblicher Kampf mit den Behörden, bis diese weiblichen Bedürfnisse tatsächlich Wirklichkeit werden. Aber immerhin bietet dieses Vorgehen Ansätze, um von der ausschließlichen Sicht des berufstätigen, autofahrenden Mannes als Maß aller Dinge wegzukommen.
Nur über die stärkere Beteiligung der Betroffenen wird aber auch langfristig das Problem der mangelnden Sicherheit von Frauen in Städten zu lösen sein. Zwar liegt, so die Einschätzung fenministischer Planerinnen, die Ursache von Gewalt gegen Frauen in gesellschaftlichen Konflikten, doch vermag die Planung dieser Bedrohung immerhin Hindernisse entgegen zu stellen.
Die Diskussionen um ein Frauennachttaxi sind eine Folge dieser Auseinandersetzungen. Eine andere Forderung ist die nach klarer und überschaubarer Planung öffentlicher Räume. Übersichtlichkeit, Einsehbarkeit und das Gefühl, gesehen und gehört zu werden, sind wesentliche Kriterien, die zur Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum beitragen. Daß es dabei zum Konflikt und mit ökologischen und ästhetischen Ansprüchen an Stadtgestaltung kommen kann, ist nicht auszuschließen. Schließlich kann jedes Gebüsch für Frauen zum potentiellen Versteck von Bedrohern werden. Ziel kann deshalb jedoch keineswegs die sterile zubetonierte Stadt sein. Vielmehr müssen städtische Lebensräume geschaffen werden, die tatsächlich belebt sind und damit als sicher erlebt werden. Notwendig ist dazu auch die Funktionsmischung in den Stadtteilen, so daß Innenstädte nachts nicht wie leergefegt sind und dadurch besonders gefährlich werden. Sicherheit im öffentlichen Raum
In dieser Auseinandersetzung könnten bundesdeutsche Planungsbehörden einiges aus den Niederlanden lernen. Bereits seit 1983 gibt es dort die Stiftung „Vrouwen Bouwen&Wonen“. Sie vertritt, finanziert von der Rotterdamer Planungsbehörde, unabhängige Fraueninteressen. Ein Schwerpunkt der Arbeit dieser Stiftung lag bislang auf Fragen der Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum. 1985 schrieben die Stiftungsfrauen dazu einen Wettbewerb unter den niederländischen Großstädten aus. Neben der Auszeichnung für die Stadt Leiden wurde erreicht, daß in den Planungsämtern der Großstädte die Bedrohung von Frauen zu einem Thema wurde.
Eine vergleichbare Errichtung wie die niederländische Stiftung gibt es in der Bundesrepublik nicht. In erheblich kleinerem Maßstab versuchen jetzt einige Planerinnen und kommunale Gleichstellungsbeauftragte im Ruhrgebiet, die Interessen von Frauen systematisch in Planungsvorhaben einzubringen. Im Rahmen der „Internationalen Bauausstellung (Iba) Emscherpark“, durch die die nördliche Ruhrgebietsgrenze entlang der heute zum Abwasserkanal verkommenen Emscher, ökologisch wiederbelebt werden soll, wollen sie die Berücksichtigung von Fraueninteressen einfordern (siehe taz vom 15.Juli). Frauenfreundlichkeit soll ebenso zu einem Prüfkriterium für Iba-Projekte werden wie Ökologie oder Sozialverträglichkeit von Gewerbenutzungen. Nur am Rande
Bislang tauchen frauenspezifische Gesichtspunkte in dem Memorandum, das in blumigen Worten eine ökologische und soziale Umstrukturierung beschreibt, nur am Rande auf. Unter dem Thema „Neue Angebote für soziale, kulturelle und sportliche Aktivitäten“ wird zwar die Notwendigkeit von mehr Frauenerwerbsarbeitsplätzen erkannt. Gleich darauf betont das nordrhein-westfälische Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr jedoch die Eigenbarbeit „in Haushalt, Wohnung, Haus, Garten, Wohnumfeld, Nachbarschaft und Stadtviertel“ als ökologisch und sozial wichtige Aufgabe. Für Fachfrauen der Feministischen Organisation von Planerinnen und Architektinnen (Fopa) aus Dortmund stellt sich dabei die Frage, ob Frauen nur noch ehrenamtlich im Quartier arbeiten und damit soziale und kulturelle Aktivitäten für die übrigen Arbeitslosen entwickeln sollen.
Um dieser Männervision schon frühzeitig entgegenzutreten, haben Fachfrauen und Gleichstellungsbeauftragte der „Iba -Städte“, von Oberhausen über Essen, Gelsenkirchen und Dortmund bis Lünen, eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, in der sie gemeinsam kommunale Projekte, die sich in besonderem Maße an Arbeits- und Lebensbedinungen von Frauen orientieren, entwickelt. So versucht z.B. die Lünener Gleichstellungsbeauftragte dem Frauentagungshaus Osteresch eine neue Bleibe in einem alten Bauernhof anzubieten. In Oberhausen will „Frida“, eine Fraueninitiative zur Entwicklung dauerhafter Arbeitsplätze, Frauen Einstiegsmöglichkeiten in gewerblich-technische Berufe anbieten. Darüber hinaus stellen die Gleichstellungsbeauftragten Forderungen zur Besetzung der Planungsgesellschaft, die über die Anerkennung der Projekte entscheiden wird. Allerdings sind hier zahlreiche Entscheidungen bereits im Vorfeld gefallen. So kämpfen die Frauen darum, daß zumindest die letzte der sechs DirektorInnenstellen von einer Frau besetzt wird. Bei allen weiteren Stellen fordern sie die Quotierung. Zukunftsmusik
Als inhaltliche Kriterien sollen die einzelnen Projekte daraufhin geprüft werden, ob in neuen Ansiedlungen wohnungsnahe Arbeitsplätze vorgesehen sind, ob Frauen an der Planung beteiligt werden und ob eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr garantiert ist.
Noch allerdings scheinen solche Prüfkriterien ferne Zukunftsmusik. Immer noch stellen sich kommunale Planungsämter stur, wenn sich die örtliche Gleichstellungsbeauftragte in die Arbeit einklinken will. Und was die Planung der Iba angeht, so hat der Geschäftsführer der Planungsgesellschaft, Prof.Karl Ganser, bereits in den vergangenen Wochen gegenüber freien Initiativen erklärt, daß er ihnen keine spezifische Berücksichtigung ermöglichen wolle. Ohne öffentlichen Druck wird das bei Fraueninteressen nicht anders sein.
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