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Athens Saubermänner bei der Arbeit

■ Untersuchungsausschuß konstituiert / Ermittlungen wegen passiver Bestechung und Veruntreuung öffentlicher Gelder auch gegen den Expremier Andreas Papandreou

Athen (taz) - Rund drei Wochen nach der griechischen Regierungsbildung zwischen der konservativen Nea Demokratia und dem kommunistisch geführten Linksbündnis kommt in Athen die „Katharsis“ in Gang. Der vom Parlament nach zweitägiger turbulenter Debatte eingesetzte parlamentarische Untersuchungsausschuß soll seine Arbeit in den nächsten Tagen aufnehmen. Dort müssen sich nicht nur vier ehemalige Pasok-Minister, sondern auch der ehemalige Regierungschef Papandreou für die Finanzskandale verantworten. Die Anklagepunkte im 12köpfigen Untersuchungsausschuß lauten u.a. auf „passive Bestechung“, Veruntreuung öffentlicher Gelder und mangelnde Kontrolle der Machenschaften des Bankiers Koskotas. Den Inhalt der Debatte brachte der Generalsekretär der Linkskoalition, der Eurokommunist Kyrkos, auf den Punkt: „Mag sein, daß Koskotas während der Regierung der Nea Demokratia geboren wurde, fett geworden ist er jedoch unter der Pasok.“

Der Koskotas-Skandal hat den Staat weit mehr als 200 Millionen US-Dollar gekostet. Weitere Untersuchungen sollen sich um die Aufklärung eines Mais-Skandals, bei dem jugoslawischer Mais als griechisch deklariert und auf dem EG -Markt angeboten wurde, Schmiergelder beim Ankauf französischer und deutscher Waffensysteme und das notorische Abhören von Telefongesprächen durch den Leiter der staatlichen Telekommunikationsgesellschaft OTE, Tombras, bemühen. Sollten sich die Beschuldigungen nach Überprüfung des Belastungsmaterials als richtig erweisen, wird ein Sondergericht aus zwölf Richtern das Urteil fällen. Das „Gesetz über die Verantwortlichkeit von Ministern“, das dabei Anwendung findet, stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur.

Die Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok) bewegt sich am Rande des Abgrunds, einen Schritt davor schwebt schon Andreas Papandreou. Eine Reihe der beschuldigten Exminister sind von der Pasok fallengelassen worden, um den ehemaligen Ministerpräsidenten aus dem Strudel der Katharsis zu reißen. So bemühte sich die Pasok-Fraktion in der Debatte zu dem Untersuchungsausschuß, den Koskotas-Skandal auf den Exjustizminister Koutsojorgas und den ehemaligen Minister für öffentliche Ordnung, Petsos, abzuwälzen. Bei der Abstimmung unterstützte die Pasok Ermittlungen gegen beide, lehnte aber die Einbeziehung Papandreous in die Untersuchung scharf ab.

Regierungsaktivitäten über das Ausmisten des griechischen Augiasstalls hinaus will man tunlichst vermeiden. Doch auch mit der Katharsis alleine wird das Links-Rechts-Bündnis voll ausgelastet sein: Schon für den Oktober sind in Athen Neuwahlen vorgesehen.

Robert Stadler

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