: Schleppende Ermittlung in Sachen Rüstungsexport
■ Philips hatte Kriegsgerät in Iran und Irak exportiert / Staatsanwaltschaft gibt Ermittlungen an Oberfinanzdirektion ab
Der kürzlich vom Fernsehmaga zin Monitor dokumentierte illegale Export von Nachtsichtgeräten der Bremer Firma Philips Spezial in Kriegszeiten in Iran und Irak ist nicht Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Nach Aussage der Bremer Generalstaatsanwaltschaft wurde der Fall an die Oberfinanzdirektion Bremen abgegeben, da sich „keine Straftatbestandsmerkmale“ ergeben hätten, die „staatsanwaltschaftliche Ermittlungen rechtfertigen könnten.“
Solche Merkmale wären z.B. dann festzustellen, wenn Philips durch seine Lieferungen das friedliche Zusammenleben der Völker gestört hätte oder den außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik erheblicher Schaden zugefügt worden wäre. Beides - so der Staatsanwalt schaftssprecher - treffe hier überhaupt nicht zu. Auch die bei der Staatsanwaltschaft eingegangenen Strafanzeigen des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) sowie der GRÜNEN im Europaparlament werden an die Oberfinanzdirektion abgegeben. Die OFD ist lediglich für Ordnungswidrigkeiten zuständig.
Philips hatte Kriegsgerät in den Golfkrieg exportiert. 1984 flogen Manager der Firma nach Teheran und verkauften an die Pasdaran Nachtsichtgeräte. 1986 erhielt die Pasdaran dann nocheinmal Nachschub. Doch die Bremer hatten Rückendeckung: Gegen das Gesetz, welches militärische Lieferungen in Spannungsgebiete untersagt, hatte das Bundeswirtschaftsministerium den Export genehmigt mit dem Hinweis, die
Geräte BM 8028 - sonst überall im militärischen Einsatz seien durchaus als „zivile Seh-Hilfen“ nützlich.
Der zweite Philips-Rüstungsexport geht direkt auf das Konto der Firma: Für den Irak wollte das Bundesministerium von der „zivilen Seh-Hilfe“ plötzlich nichts mehr wissen. Also entschloß sich Philips, statt Irak als Empfängerland einfach Jordanien einzusetzen, doch von dort aus wurde, wie Monitor berichtete, die Lieferung sofort an den Irak weitergeleitet. Jetzt kämpften die irakischen Piloten in den MBB -Hubschraubern BO 105 auch nachts gegen die iranische Pasdaran, die ihrerseits mit Philipsgeräten Jagd auf die Iraker machten.
Philips Bremen ist in der Produktion von Nachtsichtgeräten bundesweit führend. Geräte wie
das genannte BM 8028 verstärken das für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbare Restlicht in der Nacht. Solche Geräte werden z.B. als Brillen für den Einsatz in der Infanterie oder Luftwaffe eingesetzt, sie finden aber in anderer Ausführung auch im Nachteinsatz von Panzern todbringende Verwendung.
Um den Deal mit dem Irak perfekt zu machen, war 1986 eigens der Philips-Manager Franz Semerow nach Bagdad geflogen. Ein weiter Weg für ein Geschäft, das nach heutiger Aussage des Geschäftsführungsmitglieds Kunz nur „ein ganz, ganz kleines Geschäft für Philips“ war. Und da es nur so ein kleines Geschäft war, „haben wir auch nicht bei Monitor eine Gegendarstellung verlangt. Man kommt nur wieder ins Gerede,“ erklärt Kunz weiter.
Doch geredet wird nach diesen Rüstungslieferungen über die Philips allemal. Ein Betriebsrat berichtet, Beschäftigte seien schon als „Henkersknechte von Kriegsgewinnlern“ bezeichnet worden. Und er führt weiter aus, sie würden gerne von militärischer auf zivile Produktion umstellen, aber nach einer Sitzung der Betriebsräte aller wehrtechnischen Abteilungen von Philips in Gronau hätten sie eher Angst, daß Philips „die Bude hier plattmacht“.
Tatsächlich gibt es einige Hinweise dafür, daß sich die Philipsmuttergesellschaft in Holland von allen Militärbereichen trennen will. In Schweden hat diesen Bereich mittlerweile die Waffenschmiede Bofors aufgekauft und der französische Elektronikriese Thomson&Brand hat offensicht
lich langfristig Interesse an der Philips Tochter Hollandse Signaal Apparaten (99%), zu der die Bremer Philips gehört. Das könnte dann das Aus für den Bremer Standort bedeuten.
Ähnlich langfristig wie die Franzosen und Holländer denkt auch die Bremer Oberfinanzdirektion. Um Auskunft über den Stand ihrer Ermittlungen gebeten erklärt sie, in vier Wochen wisse sie vielleicht etwas mehr. Vielleicht sogar erst noch später. Heute zumindest dürfe sie keine Auskunft geben, nicht einmal darüber, ob sie überhaupt gegen Philips ermittle. Und von einer Anzeige des BUKO oder der GRÜNEN wäre dort überhaupt nichts bekannt.
Und selbst wenn. Er dürfe das gar nicht sagen, so der Sprecher. „Besondere Verschwiegenheit.“
Rainer Kahrs
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