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Neue Spekulantengruppe in Kreuzberg

■ Mietergemeinschaft am Fraenkelufer22 ausgetrickst / Haus in letzter Minute von Spekulanten vor der Nase weggeschnappt

Mit sicherem Instinkt für ein profitabeles Geschäft hat sich gestern die Immobilienfirma Teubner und Becher auf dem Kreuzberger Grundstücksmarkt eingekauft. Die Firma, die bislang in Kreuzberg noch nicht in Erscheinung getreten war, hängte kurz vor Vertragsunterzeichnung eine Mietergemeinschaft ab und sicherte sich das Grundstück Fraenkelufer22 in der IBA-Besichtigungszeile am Landwehrkanal.

Dem vorausgegangen waren jahrelange Verhandlungen zwischen einer Mietergruppe des Hauses und den früheren Besitzern. Diese Besitzer, eine Erbengemeinschaft, hatten das Haus seit Jahrzehnten verkommen lassen und dann schließlich in einen Verkauf an die Mietergruppe eingewilligt, die „ihr Haus“ in eigener Regie sanieren wollte. Daraus wird nun nichts. Praktisch auf der Ziellinie, am Tag der Vertragsunterzeichnung, tauchten wie aus dem Nichts Teubner und Becher auf und trieben den Preis in die Höhe. Nach einem Tag hektischer Bemühungen um neue Kredite mußte die Mietergemeinschaft passen: die Kriegskasse der Spekulanten war nicht zu überbieten.

Den Fast-Hausbesitzern am Fraenkelufer stehen nun schwere Zeiten bevor. Teubner und Becher haben keinen Hehl daraus gemacht, daß sie das neuerworbene Objekt ohne öffentliche Mittel luxusmodernisieren wollen. Schließlich müssen sich die Investitionskosten aufrechnen. Für die Mieter bleibt eine letzte Hoffnung. Die für das Fraenkelufer treuhänderisch zuständigen Sanierungsbeauftragte S.T.E.R.N GmbH zeigte sich über das plötzliche Auftauchen der Absanierer fast genauso geschockt wie die Mietergemeinschaft und will nun versuchen, den Kauf über eine neuerliche Verkehrswertschätzung anzufechten. „Eigentlich“, so der für das Gebiet zuständige Dietmar Schuffenhauer, „darf im förmlichen Sanierungsgebiet nicht über dem Verkehrswert verkauft werden“ . Außerdem ist Instandsetzung in Selbsthilfe am Fraenkelufer auch Sanierungsziel.

taz

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