: „Die Chop-Suey-Gang“ - Tatort Bremen, 8.Teil
■ Der taz-Sommerkrimi in 32 Folgen / Aus einem Roman von Jürgen Alberts
Hier
bitte
das
Pictogramm
An diesem Morgen war Grünenberg die Stimmung verhagelt. Er hatte sich auf das Gespräch mit Mammen gefreut, und dann war dieser Artikel erschienen. NÄCHTLICHER BLITZBESUCH
Mit einem Großaufgebot an Polizeikräften gelang es, die Drogenszene nachhaltig zu erschüttern. Insgesamt wurden 30 Personen in Haft genommen, Rauschgift (Haschisch und Heroin) in großen Mengen beschlagnahmt, verdächtige Personen überprüft. Wie Landeskriminalrat Dr.Schaf bekanntgab, seien diese Überraschungs
kontrollen die einzig wirksamen Maßnahmen, um den Dealern auf die Spur zu kommen. Der Erfolg gebe ihnen recht. Man plane weitere Einsätze.
Der Mann, der durch seine Aktion „Dealer sind Mörder“ bundesweit bekannt wurde, kündigte zugleich ein neues Programm an: Er will persönlich mit Eltern Kneipen in der Szene aufsuchen, in denen nachweislich mit Rauschgift gedealt wird. So sollen die verstörten Eltern das Milieu kennenlernen, um ihre Kinder in vollem Umfang aufzuklären. Ein wirklich guter Einfall!
Als der neue Lokalchef diesen Artikel las, war er so sauer, daß er am liebsten gleich den Verfasser zu sich zitiert hätte, aber er schreckte davor zurück. Das waren die Methoden der Vorgänger. Der Verlagsleiter hätte keine Sekunde gezögert.
Mammen kam in sein Büro: „Chef was gibt's?“ Grünenberg zeigte auf den Artikel.
Mammen gab sich gelassen: „Was willst du eigentlich, der Ritschel hat doch immer so geschrieben. Ich find‘ den Artikel
eher blaß, wenn er richtig mit der Bullerei sympathisiert, dann gibt's ganz andere Schoten“.
„Trotzdem“, Grünenberg war ziemlich aufgeregt, „ich find‘, so eine Hofberichterstattung kann ich hier nicht gebrauchen.“
„Hast du mich deswegen rufen lassen? Da geh‘ ich gleich wieder, das sind Chefbedenken, hab‘ ich nichts mit zu schaffen.“
Mammen führte seinen kleinen Tanz auf. Sein wolliges Haar wippte um den Kopf. „Nein, nein.“
Klaus Grünenberg mußte sich in Stimmung bringen. Es sollte so ein schöner Moment sein, und er war schon seit Tagen mit dieser Mitteilung schwanger gegangen, hatte Mammen warten lassen.
„Also. Fühlst du dich eigentlich wohl bei deinen Gerichtssottisen, ich meine, du hast doch immer getönt von wegen der 250. Entscheidung, Mann gegen Frau, so'n Mumpitz...“
Mammen zögerte, war um eine Antwort verlegen. „Ich kann es mir nicht aussuchen.“ Die Antwort kam leiser und ohne schmückende Formulierung.
„Also, um es kurz zu machen. Ab heute trittst du im Feuilleton auf. Klar?“
„Was?“
„Feuilleton. Das Wort schon mal gehört? Kultur. Theater, soll das sein, oder Filme, oder Bücher, wenn es gar nicht anders geht. Ich will, daß deine Edelfeder nicht unter Justiztalaren vermufft, sondern sich mal austoben kann.“
Klaus Grünenberg lehnte sich zurück, zog tief Luft ein. Jetzt war er in Stimmung. Er genoß, wie Mammen sich freute. Wortlos.
„Das hätte ich nicht von dir erwartet.“
„Ich mach‘ es nicht, weil wir befreundet sind, sondern weil du gut schreibst. Ist das verstanden worden?“
Mammen nickte. Sein Gesicht war gerötet, als hätte er zu tief ins Glas geschaut. Dann hatte Grünenberg die Idee, er sprang von seinem Bürostuhl auf. Der mußte auch noch ausgetauscht werden, der Stuhl hatte zuviel Polsterung, war einfach zu bequem, er brauchte seinen Küchenstuhl wieder hinterm Schreibtisch.
„Und weißte, was ich mit dem
Ritschel mache?“ Er tippte sich an den Kopf. „Daß ich da noch nicht früher drauf gekommen bin, ich muß schon sagen, Suff macht leistungsfähig. Der Ritschel wird die Gerichtsreportagen übernehmen, deine Stelle wird ja frei. Schick mir den gleich mal rein. Man muß für gute Ideen in guter Stimmung sein.“
Mammen lachte. „Der wird nicht gerade begeistert sein. Bei seinen Beziehungen zur Polizei...“
Zehn Minuten später traf Ritschel ein. Er hatte sich die Haare gekämmt, den Scheitel gerade gezogen. Die dicke Hornbrille vergrößerte die Augen, er war nicht gerade der Schönste unter den Kollegen der „Weser-Nachrichten“.
„Sie haben mich rufen lassen“, sagte er mit einer tiefen Stimme.
„Sie machen die Polizeischreibe schon zu lange, mindestens zehn Jahre, und ich denke...“
„Wenn sie es so bestimmen, Herr Grünenberg“, Ritschel senkte den Kopf. Zum zweitenmal fluchte Grünenberg an diesem Tag, nur diesmal leise.
„Wir hatten doch die Meldung
drin, daß das China-Restaurant abgebrannt ist“, entgegnete Ritschel. „Und ich habe erfahren, daß die Polizei dort auch eine Leiche gefunden hat, aber in der Mitteilung von der Pressestelle stand nichts davon.“
„Vielleicht wollen die abwarten, was sich tut, Ritschel, sie kennen doch das Spiel. Das weiß ich ja sogar schon.“
Die beiden Journalisten standen sich gegenüber, sie hatten beide schon über die Polizei berichtet, nur, daß der eine stets die Schattenseiten beleuchtete, während der andere alles in güldenem Licht erscheinen ließ.
„Gehn sie der Sache nach.“ Grünenberg reichte Ritschel die Hand. „Und dann an die neue Stelle. Freu mich schon auf die ersten Berichte von ihnen.“
Ritschel zog ab.
Du blöde Sau, dachte Grünenberg, was führst du hier für einen Schleiertanz auf, hättest ihm doch sagen können, daß du seine Polizeiliebhaberei satt hast, schließlich bist du der neue Lokalchef. Fortsetzung folgt morgen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen