: Türkische Feministin gefoltert und vergewaltigt
Tatverdächtiger wollte den Ausstieg seiner Exfreundin aus der Frauenszene erzwingen / Gemeinsamer Sohn in die Türkei verschleppt? / Harte Kritik an den Ermittlungen der Hamburger Polizei / Mesut A. war früher in linken türkischen Zusammenhängen aktiv ■ Aus Hamburg Axel Kintzinger
Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ist am vorletzten Wochenende eine 36jährige Türkin von ihrem ehemaligen Freund und Vater ihres vierjährigen Kindes 16 Stunden lang eingesperrt, gefoltert und vergewaltigt worden. Bei dem Opfer handelt es sich um die in der Hamburger Frauenbewegung bekannte NadireG., die gemeinsam mit anderen feministischen Türkinnen vor vier Wochen ein vielbeachtetes Theaterstück über die Rolle türkischer Frauen in der Emigration aufgeführt hatte. Wie Nadire G. gestern berichtete, habe sie der 38jährige Mesut A. mit den Folterungen dazu zwingen wollen, sich aus der Frauenszene zu lösen und mit ihm in eine andere Stadt zu ziehen.
Schon vor der Tat war Nadire G.s vierjähriger Sohn Güney verschwunden, nachdem er sich zuvor bei Mesut A. aufgehalten hatte. Wie Freunde und Bekannte des Opfers ermittelten, sei das Kind am Tag vor der Tat in die Türkei verschleppt worden - Zeugen hatten den Jungen in Begleitung einer Bekannten von Mesut A. am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel gesehen. Der Vierjährige sei mit einer Hapag-Lloyd-Maschine nach Istanbul geflogen worden. Mesut A. habe das Ende der Geiselnahme von der Erfüllung seiner Forderungen abhängig gemacht, berichtete Nadire G.
Freunde und Bekannte des Opfers, unter ihnen der GAL -Landesvorständler Wulf Sorge, richteten gestern schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Mesut A. wurde, wie die Polizei der taz gegenüber bestätigte, bereits am Tag nach der Tat festgenommen, war vom Untersuchungsrichter aber wieder freigelassen worden. Bei der Vernehmung sei es zu einer Gegenüberstellung gekommen, bei der Mesut A. die junge Türkin ungehindert als Hure beschimpft und bedroht haben soll. Selbst nachdem am vergangenen Donnerstag ein Haftbefehl gegen Mesut A. ausgestellt worden war, habe der Mann seiner Exfreundin und ihren deutschen Freunden, bei denen sie Unterschlupf gefunden hat, telefonisch mehrfach mit dem Tode drohen können.
Die Polizei hatte Angebote des GAL-Politikers abgelehnt, die Fahndung nach dem 38jährigen mit Hilfe einer Fangschaltung zu intensivieren. Tatenlosigkeit wird der Polizei auch in Sachen Kindesentführung vorgeworfen. Statt selbst eine Fahndung einzuleiten, hätten sich die zuständigen Beamten lediglich bei dem Opfer und ihren Freunden nach dem Verbleib des vierjährigen Güney erkundigt
-telefonisch und nur auf deren Initiative.
Mesut A. War bis 1983 in der linken türkischen Szene aktiv. Er hätte beonders intensiv am Thema Folter in der Türkei gearbeitet, berichtet Nadire G. Dieses Wissen habe er jetzt auf bestialische Weise gegen sie angewandt. In einem 60 Seiten dicken, Bekennerbrief-ähnlichen Schreiben hat Mesut A. die Tat begründet.
Doch nicht nur das Verhalten der Polizei verbittert das Opfer und ihre Freunde. Sichtlich bedrückt beklagte Wulf Sorge die Reaktionen linker türkischer Männer. Viele von ihnen hätten sich, anstatt auf MesutA. einzuwirken, mit dem 38jährigen Mann solidarisiert und die Mitarbeiterinnen des türkischen Frauentreffs in Hamburg-Altona öffentlich als Prostituierte beschimpft. Auch bei deutschen Männern aus der linken Szene Hamburgs sei er auf „repressive Toleranz“ und eine „Mauer der Blockade“ gegenüber der Folter und Vergewaltigung gestoßen, beklagte der GAL-Politiker.
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