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Parteien, hört die Signale!

Über Gorbimanie und Schönhuberei in der Bundesrepublik  ■ G A S T K O M M E NT A R

Die Begeisterung für „Gorbi“ und die an ihn geknüpften Hoffnungen, nun werde auch die Mauer bald verschwinden, bezeichnen die weit auseinandergerückten Pole westdeutscher Unzurechnungsfähigkeit. Haben die Deutschen über Gorbatschow den Verstand verloren, hat der 'Spiegel‘ den Amerikaner R.N. Perle gefragt, der dem Kalten Krieg nachjammert. Das ist doch wohl klar, war die Antwort. ('Spiegel‘ Nr.25/89, S.28) Wenn der Amerikaner damit sagen wollte, wir seien dank „Gorbi“ aus unserer normalen Geistesverfassung herausgesprungen, so irrt er genau so wie alle diejenigen, die in den 16 Prozent Republikanern in Bayern so etwas wie einen temporär eingrenzbaren, politischen Ausnahmezustand sehen wollen.

Zunächst sei festgestellt, daß die Gorbatschowsche neue sowjetische Politik auf nichts weniger gerichtet ist als auf den Abbruch der Berliner Mauer, zumal jene, die davon sprechen, damit offenbar auch die Vorstellung von „Wiedervereinigung“ verbinden. Der Herr aus Moskau scheut ersichtlich nicht vor Risiken zurück, ein politischer Selbstmörder ist er nicht. Glasnost und Perestroika haben mit der Mauer so viel zu tun wie Sachertorte mit Krabbensalat. Hier proklamatorisch einen Zusammenhang herzustellen - die 'Bild-Zeitung‘ hat mit der Doppelzeile nur der emotionalisierten öffentlichen Meinung Ausdruck gegeben - ist Blödsinn.

Über Jahrzehnte waren wir uns selbst entlaufen; oder anders gesagt: überschattet von den Verbrechen, begangen zwischen 1933 und 1945, trauten wir uns nicht, deutsche Farbe zu bekennen. Das fiel uns auch leicht im Genuß ungewohnten Wohlstandes. Dessen narkotische Wirkung ist verbraucht, die Wirtschaftsmacht der BRD wird mehr und mehr umgesetzt in ein nationalistisches Selbstbewußtsein. Diesem Trend ist Bonn ( Regierung, Parteien, Parlament) nicht ausreichend oder auch gar nicht nicht gefolgt - wofür ich sie gewiß nicht tadeln will! Nur ein einziger unserer politischen Prominenten, der Bundespräsident, hält seine Nase entschlossen in diesen Wind, darauf beruht seine Popularität. Weit entfernt in seiner Stilistik von Schönhuber, macht er vorgestriges Nationalgefühl salonfähig. (So haben die Bayreuther Antisemitismus vor 1914 salonfähig gemacht.)

Man darf „Bonn“ dafür loben, aber es verfehlt damit eine schon weit verbreitete Grundstimmung in der Bevölkerung. Genscher wird als Friedensmacher anerkannt, er zeigt ja auch Mut, aber die Herren Kohl, Vogel, Lambsdorff und Co. sind für viele lauwarme Hampelmänner. Eine emotionalisierte, aber nicht befriedigte Bevölkerung braucht als Partner einen Helden. Den hat sie sich schon früher einmal mit Kennedy vor 26 Jahren ausgeliehen, und jetzt aus Moskau. Dahinter steckt heute situationsbedingt, im Rahmen von Furchtverlust, viel mehr drive als damals. Es hat eine schwachsinnige Delegation wiedererweckter deutscher Träume an die falsche Adresse stattgefunden. Aber das wird sich ändern.

Die 16 Prozent Schönhuberei in Bayern und der Gorbi-Jubel sind zwei Erscheinungsformen der gleichen Tendenz. Daß die letzte „Bonner Runde“ in den „Republikanern“ eine Randerscheinung sah, die sie so oder so leicht in den Griff bekommen würde, ließ ihre Realitätsferne erkennen. Wenn diese Regierung und künftige nicht erkennen, daß sie komplett auf „grün“ schalten müssen - womit ich nicht die Partei, aber deren Erkenntnisstand, deren Optik meine - wenn sie die realen Überlebensprobleme nicht zu hundert Prozent der Bevölkerung vermitteln können oder wollen, wird die BRD im Jahre 2000 ein rechtsradikales Narrenhaus sein. Parteien, hört die Signale!

Erich Kuby

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