piwik no script img

Ferien am Kuhhirten - bald mit neuer Fähre

■ Hal Över bekommt nach langem Hin und Her 200.000 Mark für neues Fährschiff /

Zweienhalb Jahre hat der Verein Anträge geschrieben, Verhandlungen geführt und seine wirtschaftlichen Verhältnisse offengelegt, jetzt ist es soweit. „Hal Över“ bekommt eine neue Fähre. Gestern beschloß der Senat in seiner Sitzung, ein unverzinsliches gewinnabhängiges Darlehen von 200.000 Mark für die Anschaffung eines zweiten Fährschiffes. „Ein guter Kompromiß“ freute sich Dieter Stratmann, Vorsitzender von „Hal över“.

Eigentlich hatte der Verein erreichen wollen, daß der Fährbe

trieb als Öffentliches Personennahverkehrsmittel anerkannt wird, analog der Fähren in Bremen-Nord. Dann hätte „Hal Över“ einen Anspruch auf Kapitalkostenzuschüsse gehabt, ein Ansinnen, das an den Einwänden des Finanzsenators scheiterte.

1984 stand der Fährbetrieb vor Pleite und Einstellung. Nur noch 38.000 BremerInnen hatten die Fähre benutzt. „Hal Över“ gründete sich, um die historische Fährverbindung zu retten, und von nun ab gings bergauf. Im letzten Jahr nutzen bereits 300.000

BremerInnen das kleine Schiffchen. Im besten Monat, dem Juni 1989 waren es alleine 58.000. Besonders an Sonntagen und wenn „Hal Över“ zu Werder-Spielen einen Park-Ship -Pendelverkehr über die Weser anbietet, kommt das 45-Plätze -Schiffchen kaum mehr gegen die Schlangen an den Anlegern an. Kein Wunder, daß die Treuarbeit, vom Senat mit einem Gutachten zu den Finanzen des Vereins beauftragt, zu dem Ergebnis kam: „Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet.“

Der Fahrpreis ist dabei über die Jahre stabil geblieben. 1984 waren die Tarife um die Hälfte gekürzt worden und liegen nach wie vor für eine Hin-und Rücktour mit Rad bei zwei Mark. Immer mehr NutzerInnen steigen auf Monatskarten (35 Mark für Schüler und Arbeitslose, 50 für Verdienende) und vor allem auf Jahreskarten um. Die kostet nur 85 Mark für Papa, Mama, und beliebig viele Kinder samt dazugehörender Fahrräder. Die wurde dieses Jahr über 1.000 Mal verkauft, sagt Stratmann, dem bei dieser

Entwicklung zunächst „Angst und Bange“ wurde. Sind doch die Einzelfahrscheine ertragsstärker. Doch ein Einbruch bei den Einzelfahrscheinen blieb aus. Der Fährboom in Bremen hat auch kleine, aber positive Wirkungen auf den Arbeitsmarkt, Die fünf ABM-Stellen wurden nach und nach zu festen, vom Verein bezahlten Arbeitsverhältnissen; im Cafe Sand, in dem immer BremerInnen an sonnigen Tagen ihre Nachmittage verbringen, sind noch einmal fünf Stellen geschaffen worden.

Jetzt hat „Hal Över“ zwar Geld, aber kein neues Schiff mehr im Auge. Die „schnuckelige, schmucke Moselfähre“ (Stratmann), die man sich im letzten Jahr bereits ausgeguckt hatte, ist wegen der endlosen Entscheidungsfindung im Senat inzwischen anderweitig verkauft. Und so wird jetzt erst einmal fleißig herumtelefoniert, wo vielleicht eine Fähre zu bekommen ist. Hilft das nicht weiter, kommt nur ein Neubau infrage. Die Lux-Werft am Rhein bietet ein neues Schiff für 400.000 Mark an. Da können

Bremer Werften, spezialisiert auf Container und Fregattenbau nicht mithalten. Die fehlenden 200.000 Mark muß „Hal Över“ aus eigenen Mitteln finanzieren. Im Verein soll jetzt darüber nachgedacht werden, ob man BremerInnen locken kann, sich mit Anteilsscheinen zu beteiligen.

Wenn die neue Fähre dann zu Beginn der kommenden Saison, im März oder spätestens im Mai auf der Weser liegt, dann soll nicht länger nur zwischen Osterdeich und Kuhhirten gependelt werden. Wenn Werder spielt, wird direkt ein Anleger beim Stadion angefahren. Und auch sonst kann sich Stratmann noch so einiges vorstellen. Pendeltouren zwischen Weserwehr und Martinianleger, Fahrten nach Bremen-Nord, um Radwanderer beispielsweise zur Moorlosen-Kirche zu bringen, auch kleine Hafenrundfahrten, allerdings nur insoweit dadurch nicht Interessen der Schreiber-Reederei berührt werden. Denn die hatte ganz zuletzt noch beim Senat gegen „Hal Över“ interveniert.

Holger Bruns-Kösters

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen