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Heftige Kritik an Mannheimer Asyl-Entscheidung

Justizminister empört über Mannheimer Urteil, das AsylbewerberInnen aus reinen Wohngebieten verbannen soll / Ministerien denken an Änderung der Rechtsgrundlage im Baugesetz  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Bundesjustizminister Hans Engelhard (FDP) hat das jüngste Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) scharf angegriffen. Noch in seinem Urlaubsort ließ der Justizminister seinem Unmut freien Lauf. Er wolle und dürfe zwar keine Richterschelte betreiben, „als Mensch und Politiker stelle ich aber mit Betroffenheit und Empörung fest, daß ein Verbot, Asylberwerber in reinen Wohngebieten unterzubringen, im Ergebnis für einen Rechtsstaat untragbar und für eine Kulturnation unwürdig ist“. Ins Gericht ging der FDP -Politiker auch mit einer früheren Entscheidung des gleichen Senates. Die drei Berufsrichter hatten zuvor geurteilt, auch Altenpflegeheime würden in Wohngebieten „stören“.

Stellungnahmen aus dem Jusitzministerium zu Gerichtsentscheidungen sind an sich unüblich. Im Fall des Mannheimer Urteils fand Engelhard dennoch deutliche Worte. „Was auch immer die Gründe für die Entscheidung des Gerichts sein mögen: Das Ergebnis muß korrigiert werden.“ Es könne nicht angehen, andere Menschen als zweitklassig zu degradieren und aus der Gemeinschaft zu verbannen - seien es Asylbewerber, seien es Kranke oder sonst auf irgendeine Weise sozial schwache und benachteiligte Menschen.

Der FDP-Sicherheitsexperte Burkhard Hirsch hat gestern die Bundesregierung zum Einschreiten aufgefordert, um solche „skandalösen Urteile“ künftig zu verhindern. Mit zwei parlamentarischen Anfragen hat er bei der Regierung Auskunft darüber verlangt, ob und wann sie tätig zu werden gedenke.

Bei den Sprechern der Justiz- und der Bundesbaubehörde ist der Mannheimer Richterspruch auf ein einhelliges „Befremden“ gestoßen. Im Justizministerium hofft man nun auf eine Korrektur durch die nächste, höchstrichterliche Instanz. Zuständig dafür wäre das Bundesverwaltungsgericht. Für den Fall, daß das Mannheimer Urteil dort Bestand hat, haben die Beamten beider Behörden bereits die Gesetzestexte zur Überprüfung aus den Schubladen geholt. In Mannheim hatten die Richter ihr Urteil am 19. Mai voll und ganz auf die Baunutzungsordnung von 1977 gestützt. Mit einer abenteuerlichen Konstruktion entschieden sie, die Unterbringung von Asylbewerbern in Sammelunterkünfte stelle ebenso wie die von Senioren in Altenpflgeheimen kein „Wohnen“ im Sinne der Bauordnung dar und müsse daher untersagt werden.

Eine Korrektur der Baunutzungsordnung würde aber insbesondere Bundesbauministerin Gerda Hasselfeld vor Schwierigkeiten stellen. Eine Gesetzesänderung, die angesichts der Wohnungsnot künftig den Ausbau von Dachgeschossen erleichtern und die Spielhallenflut eindämmen soll, liegt schon jetzt beim Bundesrat. Sollte nun wegen des Mannheimer Urteils eine weitere Novellierung notwendig erscheinen, müßte die Baubehörde ihren laufenden Antrag erst einmal zurückziehen. Zeitverzögerungen wären dann unumgänglich.

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