: Die Anderen: Le Monde / Le Figaro / Liberation: zur Geisselaffäre im Libanon / Frankfurter Rundschau / FAZ / Neue Westfälische: Berlin-Flugverkehr
Le Monde
Ein Wiederaufleben des Klimas von „Irangate“ zwischen Washington und Teheran sieht die linksunabhängige 'Le Monde‘ durch die Geiselaffäre:
So paradox es auch scheinen mag, die Ermordung von Oberstleutnant Higgins durch eine Gruppe der Hizbollah, die in Anspruch nimmt, die islamische Revolution zu vertreten, hat die Kluft zwischen Washington und Teheran nicht etwa vertieft, sondern das „Irangate„-Klima wiederbelebt, das man endgültig begraben glaubte. Die iranischen Akteure des „Irangate“ sind heute an der Macht, mit Rafsandschani an der Spitze. Es ist kein Geheimnis, daß der neue starke Mann des Iran, der für seinen politischen Realismus bekannt ist, der Isolierung seines Landes auf der internationalen Ebene und der Trennung vom Westen im allgemeinen und den USA im besonderen endgültig ein Ende machen will. Die USA waren ihrerseits dem Gedanken der Normalisierung ihrer Beziehungen zu Teheran nie wirklich abgeneigt. Amerika würde ein starkes und antikommunistisches Regime, das seine Jugendtorheiten hinter sich hat, bestens passen. Bleibt die Frage, wie weit der neue iranische Präsident seine noch gefährdete Macht festigen und die Opposition der im Iran zahlreichen Nostalgiker eines kompromißlosen Chomeinismus knebeln kann.
Le Figaro
Die konservative Pariser Zeitung schreibt zum Hilfsangebot Rafsandschanis in der Geiselaffäre:
Haschemi Rafsandschani ist verblüffend, seine gestrige Rede in Marmor gehauen: der neue Chef Irans bietet dem Weißen Hause seine Hilfe an, um die Libanon-Krise zu beenden. Eine einzige Bedingung für dieses seltsame Bündnisangebot: daß die Vereinigten Staaten auf eine militärische Lösung verzichten. Daß sie bei Israel, einem „todgeweihten Staat“, auf die Freilassung von Scheich Obeid dringen.
Das Rätsel um Rafsandschani ist möglicherweise ganz einfach der Wille, seine eigene Macht zu festigen und gleichzeitig die großen Nationen zu überzeugen, daß sie ein Interesse an seinem Erfolg haben. Wenn diese Analyse zutrifft, genügt es, den iranischen Staatsführer beim Wort zu nehmen. Die Freilassung von Scheich Obeid ist möglich. Israel ist dazu bereit. Um so mehr, als man „mit der Unterstützung Teherans“ diesen Freilassungsprozeß erweitern kann.
Liberation
Die linke Pariser Tageszeitung nimmt zur Geiselaffäre Stellung:
Alles läuft so ab, als wenn Scheich Obeids Entführung Rafsandschani objektiv die erträumte Möglichkeit gegeben hätte, mit den USA ins Gespräch zu kommen, indem er sich der Geiseln entledigte, die eine Annäherung verhinderten. Der iranische Präsident hält eine Normalisierung des Verhältnisses zum Westen und insbesondere zu Washington um so notwendiger, als die iranische Wirtschaft dringend Mittel zum Wiederaufbau benötigt. Darüber hinaus hatten die Amerikaner seit dem Tode Chomeinis wissen lassen, daß sie bereit seien, ihr Verhältnis zum Iran zu normalisieren unter der ausdrücklichen Voraussetzung, daß zuvor die Geiselaffären geregelt seien.
Die Affäre Obeid erlaubte Rafsandschani also, den USA seinen guten Willen zu zeigen, indem er fest bei den Geiselnehmern intervenierte. Gleichzeitig erlaubten ihm die heiße Krise und die Drohung einer amerikanischen Militäraktion, den „radikalen“ Iranern Diskussionen über die amerikanischen Geiseln aufzuzwingen, was ihm sonst schwerer gefallen wäre. Führt die Krise der Obeid-Entführung, die mit einer offenbaren Fehlkalkulation Israels begann, also zu einer neuen diplomatischen Lage im Nahen Osten? Das zu behaupten ist zweifellos noch zu früh, denn noch ist ungewiß, wie weit Rafsandschani seine Macht gegen die „radikalen“ Iraner gefestigt hat.
Frankfurter Rundschau
Die 'Frankfurter Rundschau‘ kommentiert den Streit um den Berlin-Flugverkehr:
Die Freiheit Berlins hängt am Halbstundentakt. Wenn nicht alle dreißig Minuten ein Flieger abhebt, ist alles aus. Dann wird die alte Reichshauptstadt zur Insel, abgeschnitten von der Frankfurter Metropole, gemieden von allen Fremden, aufgegeben von ihrer Regierung, abhängig vom Wohlwollen der DDR-Machthaber, zum Untergang verdammt. Es wirkt schon lächerlich, wie Bonner Unionspolitiker auf den Versuch reagieren, die Berliner Flugbewegungen auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Wer von Fluglärm spricht, wird sogleich an die Luftbrücke erinnert. Wer auf halbleere Jets hinweist, legt „Hand an die Lebensgrundlagen von Berlin“ (CSU-Sprecher Lintner). Tatsächlich ist seit der Zulassung neuer Gesellschaften die Zahl der Berlin-Flüge um 50 Prozent gestiegen; das Passagieraufkommen kann mit solchen Wachstumsraten nicht mithalten. Doch was sollen Argumente? Es geht um Berlin und seine Freiheit und vor allem um diese lästige rot-grüne Koalition. Jedes noch so lächerliche Thema kommt gerade recht, um diesem Senat am Zeug zu flicken, um einen Start in kommende Wahlkämpfe zu proben. Auch wenn es ein Fehlstart ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Zum gleichen Thema meint die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung‘:
Selbst wenn es richtig ist, daß manche Flüge im Berlin -Flugverkehr mitunter schlecht ausgelastet sind und einige der alliierten Fluggesellschaften sich bisher nicht entschließen konnten, lärmarme Flugzeuge einzusetzen: Die Forderung des rot-grünen Senats, von den täglich 135 Flugpaaren 36 zu streichen, zeugt ebenso wie die Weigerung, den an seine Abfertigungsgrenzen stoßenden Flughafen Tegel zu erweitern, von politischer Instinktlosigkeit. Nicht nur, daß der Flugverkehr in den Luftkorridoren für die Stadt lebenswichtig ist, da er der einzige freie, unkontrollierte Zugang nach Berlin ist. Gerade bemühen sich die Westalliierten in Gesprächen mit der Sowjetunion sowie die Bundesregierung und die Lufthansa in Gesprächen mit der DDR, einen innerdeutschen Flugverkehr unter Einbeziehung West -Berlins zustande zu bringen und die Stadt für den internationalen Luftverkehr zu öffnen. Solchen auf Stärkung der Lebensfähigkeit der Stadt zielenden, Arbeitsplätze schaffenden Aktivitäten fällt der Senat mit seinem Vorstoß in den Rücken. Will er den DDR-Flughafen Schönefeld zum zentralen Flughafen Berlins machen?
Neue Westfälische
Die in Bielefeld erscheinende Tageszeitung zum Berlin -Flugverkehr:
Berlin-Flüge, wer daran rührt, muß davon ausgehen, so etwas wie einen nationalen Nerv zu treffen. Da ist es dann überaus schwierig, rechtliche, ökonomische, ökologische und politische Gesichtspunkte klar auseinanderzuhalten. Den Luftverkehr von und nach Berlin jetzt sozusagen auf der politischen Schiene reduzieren zu wollen, das spricht nicht gerade für Fingerspitzengefühl der Senatorin Pfarr und des West-Berliner Senats. Sie bringen Berlin unnötig ins Gerede und geben denen Auftrieb in der Wirtschaft, für die das rot -grüne Regierungsbündnis in Berlin ohnehin von Übel ist und den Untergang der Stadt bedeutet. Nur wenn die Fluggesellschaften zu der Erkenntnis gelangten, aus betriebswirtschaftlichen Gründen einige Flüge zu streichen, könnte Verständnis gefunden werden. Die Bundesregierung wird politisch zweifelsohne alles unternehmen, diese Erkenntnis nicht erst aufkommen zu lassen.
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