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„Wenn du einen Terroristen siehst, dann schießt du“

■ Auszüge eines BBC-Gesprächs mit britischen Soldaten, die anonym bleiben wollten

Auf den ersten Blick scheint Nordirland ein völlig normales Land zu sein, doch dieser Eindruck täuscht. Zwar konzentriert sich der Krieg auf bestimmte Hauptschauplätze, doch haben die letzten 20 Jahre dazu geführt, daß in Nordirland im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl mehr militärische Aktivitäten stattgefunden haben als in jedem anderen Land der Welt. Fast 30.000 Menschen arbeiten bei den „Sicherheitskräften“. Davon gehören 10.000 der britischen Armee an. Die Berufssoldaten werden im Turnus für viereinhalb Monate nach Nordirland geschickt. Verschiedene Einheiten waren seit Ausbruch des Krieges bereits zehn Mal in der Krisenprovinz.

Soldat A: Wir wußten nicht, was wir damals zu erwarten hatten. Wir wußten nicht mal, warum wir hier waren. Am ersten Abend saßen wir alle in einer Art Bauwagen und der Corporal fragte, wer „fish and chips“ holen würde. Wir konnten einfach so rumlaufen.

Soldat B: Wir beschützten die Katholiken vor den Protestanten, und die Katholiken brachten uns Kaffee und Lebensmittel. Sie waren sehr gut zu uns. Als wir das nächste Mal nach Nordirland geschickt wurden. lagen die Dinge anders. Und das geschah innerhalb von sechs Monaten.

Soldat C: Wir kamen im April 1970 aus Deutschland nach Belfast. Wir waren früher in Aden und Borneo. Das war einfacher, weil wir mit Leuten zu tun hatten, die eine andere Hautfarbe hatten. Jetzt wurden wir plötzlich innerhalb des Vereinigten Königreiches eingesetzt.

Soldat D: Belfast ist eine blühende Stadt. 90 Prozent davon sieht genauso aus wie unsere Heimatstädte. Es geht aber um die anderen zehn Prozent. Du siehst dir vor dem Einsatz Fotos von Verdächtigen an und prägst dir die Namen ein. Du gehst dann auf die Leute zu und redest sie mit dem Vornamen an. Das macht sie nervös, wenn sie merken, daß du sie kennst.

Soldat A: Der Augenblick, wenn du die Kaserne verläßt, ist am gefährlichsten. Du mußt im Zickzack rennen und ständig in Bewegung sein, damit du kein Ziel abgibst. Wenn ich in einem Hauseingang stehenbleibe und mich mit einem Zivilisten unterhalte, stelle ich mich so hin, daß der Zivilist einen Schutzschild abgibt.

Soldat C: Die Terroristen haben Geduld. Wenn nicht alles genau stimmt, warten sie noch einen Tag, und dann noch einen Tag oder eine Woche. Sie machen manchmal sogar sehr mutige Sachen, wie ich zugeben muß. Es sind die besten Terroristen in Westeuropa, falls das eine Empfehlung ist.

Soldat B: Ich mußte zu einem Einsatz, nachdem sich zwei Terroristen mit ihrer eigenen Bombe in die Luft gesprengt hatten. Als ich ankam, wurden sie gerade in Plastiksäcken weggeschafft. Meine erste Reaktion war Schadenfreude. Aber es ist sehr schwer, damit umzugehen. Es sind ja schließlich auch Menschen.

Soldat D: Von jeder Einheit kommt höchstens ein Soldat in die Situation, daß er einen Terroristen erschießen kann. Das macht unsere Arbeit lohnend, das macht Spaß. Es ist gut für die Moral.

Wenn du einen Terroristen siehst, dann schießt du. Du schießt, um ihn zu töten. Wenn du nach Nordirland gehst und Angst hast, erschossen zu werden, dann bist du für den Job ungeeignet. Es ist genauso, als wenn ein Straßenkehrer Angst hätte, von einem Bus überfahren zu werden.

Soldat A: Einer von unserer Einheit wurde von einer Bombe erwischt. Er verlor beide Beine und ein Auge. Die Leute standen daneben und klatschten. Sie beschimpften uns. Das hält niemand aus. Das ist wie Folter. Da haben wir die Leute verprügelt.

Das Schlimmste ist die Trennung von der Familie. Viele Ehen gehen daran kaputt. Wenn ich nicht an meine Arbeit glauben würde und stolz darauf wäre, würde ich den Job nicht machen. Die britische Armee ist dazu da, um die Königin und das Vaterland zu schützen. Nordirland ist Teil unseres Vaterlandes, und deshalb müssen die Truppen hier sein.

Soldat D: Wenn du nach Nordirland kommst, dann ist es Ernst. Es macht dir Angst, aber es ist zur Abwechslung mal kein Spiel, sondern Ernst. Und das ist es, was mir daran gefällt.

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