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Kreuzzug als Himmelfahrtskommando

Frankreichs Konterrevolutionäre sammelten sich vor dem Louvre / Gottesrecht statt Menschenrecht / Monarchisten aller Fraktionen / Aids und Islam das Werk des Teufels / Le Pens Hofschreiber rückt die Historie zurecht  ■  Aus Paris Alexander Smoltczyk

An keinem anderen Tag des Jahres ist Paris so entvölkert von Franzosen wie an einem Feiertag im Monat August. Schlechte Ausgangsbedingungen also für die Organisatoren eines „Neuen Kreuzzuges des katholischen Frankreichs“, mit dem gestern an Mariä Himmelfahrt die Revolution feierlich der Stadt ausgetrieben werden sollte. Eine „unzählbare Menge treuer Katholiken und Franzosen, deren Herz für das edle Ideal Vaterland pulsiert“, hatte das Komitee „Anti 89“ angekündigt, um den Exorzismus am „Teufelswerk Revolution“ (Pius IX.) massenhaft begehen zu können. Doch Frankreichs Elite fand sich nur spärlich ein: knapp 5.000 wanderten von der Concorde zum Louvre - weißberockte Mädchen mit „Vive le Roi“ auf dem Herzen, Korpsstudenten mit spitzem Kinn und strengem Haarschnitt, Soutanen und Trachtenträger aus der Vendee, eben das gute, wahre, schöne, das „französische Frankreich“.

An der Statue der Stadt Brest, wo einst das blaue Blut Ludwigs XVI. troff, legt eine übergewichtige Karlistin aus Navarra weiße Lilien nieder: „Es ist ein Skandal, daß wir Traditionalisten unsere Messe nicht auf dem Concorde-Platz zelebrieren durften. Aber in der Republik sind immer nicht alle gleich“, seufzt sie. Der Polizeipräfekt hatte den Platz für alle Maifestationen gesperrt. Unter dem Standbild der Jungfrau von Orleans gegenüber dem Louvre wird das Ave Maria angestimmt: „Die Revolution war ein Massaker, ein Völkermord wie bei den Nazis“, klärt ein Familienvater aus Aurillac, der eine diamantene Lilie am Revers trägt, die Umstehenden auf. Er sei „natürlich“ Monarchist, aber, betont er, „kein Orleanist, wie dieser verräterische Graf von Paris“, der zur Wahl Mitterrands aufgerufen hatte. Nein, er stehe zu den Bourbonen, dem Duc de Cadiz. Nur hat sich ebendieser beim Skifahren jüngst selbst guillotiniert.

Vor dem Louvre ist an alles gedacht worden. Zur linken WCs, zur rechten improvisierte Beichtstühle. Doch diejenigen, die etwas auf dem Gewissen haben, stehen abseits: kahlgeschorene Anhänger einer „Vereinigung Petain - Vichy“, die auf Flugblättern zur Freilassung ihrer Gesinnungsgenossen aufrufen. Nun beginnt auch schon die feierliche und lateinische Messe. Der Abbe Coache, ein dezidiert schlechter Sänger und treuer Jünger des traditionalistischen Bischofs Lefebvre, ruft auf zur Buße: „Laßt uns beten, um Frankreich und die Kirche zu retten“, denn der Christ ist seit 1789 aus der Stadt vertrieben. Wo der Antichrist zu suchen ist, hatte der eifrige Abbe bereits in der letzten Nummer von „Anti 89“ erläutert: „Aids und der Ansturm des Islam, dem der Koran die Gewalt und das Verbrechen an der Christenheit vorschreibt“, seien die physische Subversion der katholischen Nation Frankreich. So wundert es nicht, daß wenig später laut gepfiffen wird, als der Name des farbigen Chefs von „SOS Racisme“, Harlem Desir, fiel.

Wo sich zwei im Namen Lefebres treffen, ist auch der Geist Le Pens nicht weit. Dessen Hofschreiber Fran?ois Brigneau stand die Ehre zu, einige historische Sachverhalte richtig zu stellen. „Die Republik ist die Revolution, und die Revolution ist die allgemeine Verdächtigung, der Verrat, das Gefängnis, die Angst, der Tod“, rief er. Die „Herrschaft des Pöbels im Solde der Kommune“, hatte Brigneau die Französische Revolution im Pressegespräch genannt und vor den Menschenrechten gewarnt, „in denen der Christ nicht genannt, also geleugnet wird“. Nachdem eine gipserne Maria geweiht und einige Baguettes verzehrt wurden (ein guter alter jakobinischer Brauch), setzte sich eine Prozession in Bewegung, um der Welt ein anderes Frankreich zu zeigen. Durch die Gassen des Tuilerienviertels ging der Zug - denn der Pariser Pöbel bevölkert, wir sagten es bereits, in dieser Zeit des Jahres die Autobahnen des Südens. Ein Kreuzzug als Himmelfahrtskommando.

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