: Schlechte Noten-betr.: "Frauenbefreiung oder das kleine Glück", taz vom 31.7.89
betr.: „Frauenbefreiung oder das kleine Glück“, taz vom 31.7.89
Nachdem ich mich eine Weile über den oberlehrerinnenhaften Ton (sorry, Verneigung in Richtung aller Oberlehrerinnen) aufgeregt hatte, meinte Eta, ich solle das Verteilen von schlechten Noten den Professorinnen überlassen und lieber zur Sache kommen.
Also: Vor ein paar Jahren schien es am vernünftigsten für aktive Frauen, mit dem Missionieren aufzuhören und statt dessen darauf zu vertrauen, daß sich am ehesten in den Köpfen etwas bewegen könnte durch ein gelebtes Beispiel von Frauen, die anders leben. Schluß mit den Infoständen etc. Entweder die Frauen kapieren etwas oder nicht. Wir können nichts für andere tun. Wir können solidarisch sein, aber letzten Endes muß jede erstmal selber was tun. Alles oft genug diskutiert. Auch die Einsicht, es sei notwendig, das Starren auf die Taten der Männgergesellschaft zu beenden und statt dessen den Blick auf uns Frauen zu richten, war einleuchtend. Daß das andere Extrem des Versinkens der einzelnen Frauen in den jeweiligen Kistchen ihres privaten Seins genauso witzlos ist, ist klar genug. Um so wichtiger, nicht beim Lamentieren stehenzubleiben.
Ganz schlimm fand ich die Sache mit der Motivgier: Es ist wahr: Die Erkenntnis der Realität, wie sie ist, dürfte Motiv genug sein, zu denken und zu handeln. Aber Erfolgserlebnisse, sprich konkrete Veränderungen, Verbesserungen abzuqualifizieren als patriarchal-bürgerlich, dazu muß frau wohl erstmal den privilegierten Status der Sprecherinnen haben. Da läßt es sich vermutlich mit langem Atem auch ohne Erfolge gut leben und theoretisieren über den Feminismus statt platter Beschäftigung mit Frauenfragen.
Eta ist unerbittlich: „Du schimpfst schon wieder“, sagt sie. „Wir sollten uns lieber Gedanken darüber machen, wie Frauen etwas bewirken können.“ „Aber immer“, sage ich. „Es wird sich alles in dem Augenblick ändern, wo Frauen das wollen. Nimm diesen ewigen § 218. Der wäre bald kein Thema mehr, wenn die Frauen mit keinem Mann schlafen, solange es den Paragraphen gibt.“ „Du hast gut reden, Lesbe“, sagt Eta. „Und außerdem bedenk‘, daß die Typen, um die es hier geht, womöglich Frauen haben, die gegen die Abtreibung sind.“ „Trotzdem“, sag‘ ich, „stell‘ dir vor. Es wären noch genug Männer, die sich beeilen würden, den Paragraphen loszuwerden.“
Eta wird langsam interessiert: „Da gibt's ja 1.000 Sachen, die die Frauen so in Bewegung bringen könnten.“
Ja, aber dazu müßte Kommunikation her und was noch alles. Und anstatt sich über solche Sachen den Kopf zu zerbrechen, schwafeln die Professorinnen über das Nachholen der bürgerlichen Aufklärung durch Frauen.
Anne Kavangh, Rohrhof
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