: Berliner AL uneins über „Zonis“
■ AL-Abgeordnete widersprechen Parteivorstand / DDR-Bürger müssen nicht „drüben“ bleiben
Berlin (taz) - Die während der Ferienzeit arg geschrumpfte Abgeordnetenhausfraktion der Berliner Alternativen Liste hat jetzt der Position ihres Parteivorstandes gegenüber der neuen Ausreisewelle aus der DDR entschieden widersprochen. In einem heftig diskutierten Interview hatte AL -Vorstandsmitglied Peter Lohauß am vergangenen Samstag in der taz die Auffassung des Führungsgremiums erläutert, DDR -Bürger seien künftig wie Ausländer aus Nicht-EG-Staaten zu behandeln und hätten demgemäß keinen Rechtsanspruch auf Niederlassung in der Bundesrepublik. Lohauß hatte argumentiert, eine individuelle Wiedervereinigung im Westen sei keine Perspektive und stärke nur die Honecker-Regierung. Die DDR-Bürger forderte er auf, drüben zu bleiben.
Diese Position hat der AL inzwischen nicht nur zahlreiche Anfragen von Journalisten eingebracht, sondern auch einigen Ärger von ehemaligen DDRlern. Auch innerhalb der AL ist diese Position des obersten Parteigremiums kein Konsens. Auf ihrer letzten Sitzung gingen die wenigen zur Zeit in Berlin anwesenden Mitglieder der Abgeordnetenhausfraktion mehr oder minder deutlich auf Distanz zu ihrem Parteivorstand. Fünf der sechs anwesenden AL-Abgeordneten erklärten gestern im Anschluß an die Fraktionssitzung in einer gemeinsamen Stellungnahme: „Wenn die AL-Flüchtlingspolitik glaubwürdig bleiben soll, darf nicht der Eindruck aufkommen, als würde unser Einsatz gegen die weit verbreitete Fremdenfeindlichkeit ausgerechnet bei Aus- und Übersiedlern geringer sein.“ Man appelliere zwar an alle DDR-Bürger, sich weiterhin für eine demokratische Umgestaltung in der DDR einzusetzen. Es sei aber „menschlich sehr gut verständlich, wenn immer mehr Bürgerinnen und Bürger der DDR von ihrer exklusiven Möglichkeit als „Deutsche Gebrauch machen, in den Westen überzuwechseln“. Der AL stehe es überhaupt nicht zu, die Entscheidung zur Ausreise aus der DDR zu bewerten oder zu verurteilen, heißt es in de Erklärung. In der kommenden Woche wird sich voraussichtlich auch der Delegiertenrat der Alternativen Liste mit dem Verhältnis zu den Ausreisenden und der umstrittenen Position des Parteivorstands beschäftigen.
Ve.
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