: Platzt die Millionen-Zeitbombe?
■ 170 Millionen Mark Landesbürgschaften bei drohender Pleite der Bellevue in Gefahr / „Undurchschaubarer Dschungel“ der Generalübernehmer verantwortlich
Der Finanzskandal um die mögliche Pleite der Bellevue-GmbH, die Nachfolgegesellschaft der Wohnbau-Design, hat womöglich noch größere Ausmaße als bisher angenommen. 170 Mio. Mark an Landesbürgschaften hat Berlin für über 130 der insgesamt 200 Bellevue-Häuser übernommen, erklärte der FDP-Vorsitzende Oxfort gestern. Diese Förderung sei womöglich rechtswidrig gewesen. Die Mitschuld an der prekären Lage der Bellevue trägt laut Oxfort die WBK. Die habe trotz Zusagen Gelder zu spät bewilligt und den Projektgesellschaften der Bellevue „untragbar niedrige Mieten“ abgerungen. Oxfort bezieht sich dabei auf die 32 Häuser der Bellevue, die Anfang der 80er Jahre nach dem sogenannten Paragraph 17-Programm gefördert worden sind. Die WBK zahlt dafür monatliche Aufwendungshilfen von etwa 17,-- DM pro Quadratmeter modernisierte Wohnfläche, die Miete, die noch dazu kommt, wurde von damals üblichen 4,60 DM pro Quadratmeter auf 3,10 DM gesenkt.
Empört wies man in der WBK die Vorwürfe von Oxfort zurück. Zwar bestätigte man die Höhe der Landesbürgschaft von 170 Mio. DM, aber diese Förderung sei nicht rechtswidrig gewesen und auch nicht zu spät ausgezahlt worden, sagte WBK-Sprecher Rohr. „Da klemmen sich Leute, deren Geschäfte schlecht laufen, hinter einen liberalen Politiker, um von uns mehr Geld zu bekommen.“ Die Bellevue habe bisher weder ein Sanierungskonzept noch eine prüffähige Abrechnung vorgelegt.
Empörung ebenfalls beim Mieterverein. „Das ist der glatte Hohn, die Mieter dieser paar Häuser für das Mißmanagement der Bellevue verantwortlich zu machen“, sagte der stellvertretende Geschäftsführer, Reiner Wild. Die Bellevue kassiere nicht nur zusätzliche staatliche Subventionen, sondern auch Mieten von fast 8,-- DM kalt in einer Reihe Häuser, in denen öffentliche Gelder stecken.
„Die Verträge mit der Wohnbau-Design sind zu Zeiten der Senatoren Ristock und Rastemborski geschlossen worden, und Herr Oxfort ist beide Male im Parlament gesessen“, meinte Bausenator Nagel nicht minder aufgebracht. Ob das Land Berlin über 20 Prozent des Bellevue-Bestandes übernehmen will, wie Oxfort es behauptet, mochte Nagel nicht sagen. „Sonst wecken wir schlafende Hunde, die den Reibach wittern.“ Leider wisse man nicht, welche vertragliche Bindungen es zwischen den einzelnen Hausgesellschaften der Dachgesellschaft Bellevue und dem Generalübernehmer Urbafin, der Konkurs angemeldet hat, gebe und ob da Verpflichtungen erwachsen könnten, sagte Nagel weiter. Wegen solcher Fälle wolle man ja auch den „undurchschaubaren Dschungel“ der Generalübernehmer abschaffen.
Daß die Bellevue die Baukosten bis heute nicht detailliert offengelegt habe, spreche für sich, sagte der AL-Bauexperte Volker Härtig. Die Bauausführung bei der Bellevue, die nur an „schnellen Profiten interessiert“ sei, sei oft billig und schlampig gewesen. Die AL erwartet vom Senat ein Auffangkonzept, da ein Verlust von über 100 Mio. DM an Landesbürgschaften und der Wegfall von Bindungen bei 2.000 bis 3.000 Wohnungen drohe.
Eva Schweitzer
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