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Umweltzerstörung und Pressefreiheit

■ Mit juristischen Tricks wird auf den Philippinen die Berichterstattung über Umweltthemen unterdrückt Wo es nicht ausreicht, die Leute mundtot zu machen, fallen Schüsse

Margret Cohen

Als die europäischen Umweltschützer vor mehr als zehn Jahren wegen der drohenden ökologischen Krise Alarm schlugen, fand dies auf den Philippinen keine Resonanz. Obwohl Präsident Ferdinand Marcos seine Macht auf regionale Eliten stützte, die das Land ausbeuteten und verschmutzten, konzentrierten sich seine Kritiker auf andere drängende Themen, wie die Menschenrechte und die Wirtschaftspolitik. Die wenigen Journalisten, die in dieser Ära der Unterdrückung, dennoch Umweltprobleme ansprachen, genossen paradoxerweise völlige Freiheit - vielleicht das sprechendste Zeichen der öffentliche Gleichgültigkeit.

„Solange ich nur die Umweltpolitik der Regierung kritisierte, konnte ich praktisch alles machen“, erinnert sich der ehemalige Journalist Abadilla, der eine regelmäßige Umweltkolumne in Manilas Tageszeitung 'Malaya‘ hatte.

Heute stellt die Berichterstattung über die Rodung der Wälder, Industrieabfälle, Dynamit- und Zyanid-Fischen eine viel größere Bedrohung für die Provinzeliten dar, die den Sturz des Diktators im Jahre 1986 überlebt haben. Getragen von einer Protestwelle in den Gemeinden, hat Manilas kämpferisch gewordene Presse dabei mitgeholfen, eine flügge gewordene Umweltschutzbewegung zu bestärken, und ermutigte Präsidentin Corazon Aquinos Regierung zum Durchgreifen. Im März zum Beispiel stoppte die neue Regierung zunächst einmal alle Holzexporte, und im Parlament wurde über ein totales Verbot der Rodungen diskutiert.

Angesichts der öffentichen Debatte, haben diejenigen, die das meiste zu verlieren haben, wieder auf die althergebrachten Methoden des Gegenangriffs zurückgegriffen: Manipulation des Rechtssystems und paramilitärische Gruppe. In einigen Fällen haben diese Versuche allerdings nur zu einer höheren öffentlichen Aufmerksamkeit geführt.

So wurde die im November 1988 eingebrachte Verleumdungsklage des Holzfäll-Unternehmers Jose Alvarez gegen die 'Far Eastern Economic Review‘ in den Philippinen als Angriff auf die Pressefreiheit betrachtet. Der 'Review' -Aufmacher mit dem Titel „Die Plünderung von Palawan“ hatte den Zusammenhang zwischen der rapiden Abholzung der Provinz und Alvarez‘ Verbindungen mit den führenden Politikern, Militärs und Kirchenfürsten nachgewiesen - Behauptungen, die Alvarez in seiner Klage „böswillig“ nannte. Noch bevor das Gericht sich mit den Einzelheiten beschäftigen konnte, entschloß sich ein lokaler Richter zu dem ungewöhnlichen Schritt, Tausende von Exemplaren der in Hongkong erscheinenden Wochenzeitung als Sicherheit für die geforderten 25 Millionen Peso Schadenersatz einziehen zu lassen. Die Wiederfreigabe verband er mit der Auflage, daß der Herausgeber der Zeitung eine Kaution im Gegenwert der Streitsumme hinterlegte.

Arlene Babst-Wokey, Kolumnistin des 'Manila Chronicle‘, war eine von vielen, die die äußerst unerquicklichen Nebeneffekte der Richterentscheidung anprangerten. „Jeder einflußreiche Philippino mit Geld, der jemanden einschüchtern, bestrafen, oder die philippinische Presse mundtot machen möchte, kann eine einfache Verleumdungsklage einbringen und durch Festsetzung bestimmter Kautionssummen Zeitungen zerstören und Journalisten kaltstellen. Zuletzt wird die Schuld statt der Unschuld unterstellt“, schrieb sie. „Das allerletzte, was das Land braucht, ist eine mundtote Presse - schon wieder.“

Am gleichen Tag, als die Auflage der 'Review‘ eingezogen wurde, versuchte die Polizei Maximo Kalaw jr., den Präsidenten der 'Haribon Foundation‘, zu verhaften, der viel getan hat, um das Interesse der Öffentlichkeit auf die Rodung der Palawan-Region zu lenken. Kalaw jr. wurde Steuerhinterziehung vorgeworfen. Kalaw behauptet, daß die interessierten Behörden ein Schmiergeld von 20.000 Peso ausgesetzt haben, „für jeden, der mir was anhängen kann“, eine Schikane, die von Journalistenverbänden heftig gegeißelt wurde.

Andere Vorfälle sind dagegen von der lokalen Presse weitgehend unberücksichtigt geblieben. Letzten Dezember versuchte die philippinische Tropenfisch-Export-Vereinigung die Ausstrahlung einer Fernsehdokumentation über das Zyanid -Fischen zu verhindern, die vom 'Investigation Team‘ des Channel 7 gedreht worden war. Die Sendung wurde abgesetzt. Einen Tag vor dem Ausstrahlungstermin hatten die Fischexporteure eine einstweilige Verfügung erwirkt. Als sie damit nicht durchkamen, klagten sie auf eine Million Dollar Schadenersatz wegen „der negativen Wirkung der Sendung auf den internationalen Markt, des Verdienstausfalls des klagenden Verbandes und seiner Mitglieder und der insgesamt nachteiligen Wirkung auf unsere Wirtschaft“. Das Fernsehteam hielt dagegen, daß der Verband in der Sendung gar nicht genannt werde und daß die Sendung außerhalb der Philippinen nicht zu sehen sei.

In diesem Fall konnten die Kläger einen gewissen Erfolg verbuchen. Maria Ressa, Produzentin des Programms, wollte die Sendung in der Zeit des Prozesses im März ausstrahlen, weil das Team keine Zeit hatte, eine neue Sendung zusammenzustellen. Sie sollte zusammen mit einem Feature über die Rodung der Palawan-Region gezeigt werden (das von einem der Journalisten der späteren 'Review'-Story gemacht worden war). Außerdem sollte der Bericht des New Yorker 'Committee to Protect Journalist‘ über die philippinische Presse und die Auswirkung der Verleumdungsklagen auf die Pressefreiheit vom Februar 89 vorgestellt werden. Frau Ressas Anwalt riet ab. Nach philippinischem Gesetz gilt jeder Pressebericht über ein „schwebendes Verfahren“ als Mißachtung des Gerichts.

„Ich war darüber sehr frustriert“, sagt Frau Ressa, „wir haben Neuigkeiten und dürfen sie nicht senden.“

Kein Wunder, daß das Gesetz über die „schwebenden Verfahren“ schon manche Gruppe davon abgehalten hat, gegen umweltverseuchende Industrieunternehmen juristisch vorzugehen. Abadilla nennt Fälle in den Provinzen Bulacan und Pampanga, wo von Wasserverseuchung betroffene Bauern und Fischer auf gerichtliche Schritte verzichteten, um sich die Öffentlichkeit zu erhalten. Protest von Bürgerinitiativen

Proteste von Bürgerinitiativen haben in den letzen zwei Jahren Themen wie die Rodung der Wälder für die Presse interessanter gemacht. In San Fernando, Bukidno, legte sich im letzten Juli eine Gruppe von Umweltschützern mitten auf die Straße, um die Transportwege von illegalen Rodungsunternehmen zu blockieren. Die Aktion machte Furore. „Sie verteidigen mit ihren eigenen Körpern, was von den Wäldern noch übriggeblieben ist“, kommentierte der örtliche Bischof. Kurz darauf wurde ein Erlaß der Behörde für Umwelt und Naturschutz bekanntgegeben, in der alle Arbeiten der regionalen Holzfällfirmen bis auf weiteres untersagt wurden. Dieser Erfolg führte zur Bildung einer ähnlichen Gruppe in der Nachbarstadt, die Wachtposten aufstellte und den totalen Stopp der Rodungen forderte.

Solche Proteste können allerdings auch gefährlich werden. Die illegalen Holzfäller standen immer schon unter dem Schutz des Militärs und der lokalen Politiker, die über Privatarmeen verfügen. Auch beim Dynamit-Fischen wird von militärischer Unterstüzung berichtet. Es heißt, daß Soldaten die Fischer mit Sprengmaterial beliefern und sie zum Markt begleiten, wo sie einen Prozentsatz vom Tagesfang einstreichen. „Die Leute lehnen sich nicht dagegen auf, sie haben Angst vor Ärger mit den Militärs“, sagt Dante Pasia, der Leiter der 'Philippine Aquatie and Marinelife Conservationists Association‘.

Waldy Carbonell, der Geschäftsführer der philippinischen Grünen, erinnert sich an unzählige Vorfälle mit regionalen Behörden, Vorfälle während ihres Wahlkampfes im Frühjahr 1987, bei dem es denen Grünen wesentlich um Umweltpolitik ging.

„In einer abgelegenen Gemeinde in Cagayan wurde unser Lager bei einer Anti-Rodungs-Kampagne mit Steinen beworfen. In der Provinz Quirino behinderten das Militär und Anhänger eines Lokalpolitikers unsere Veranstaltung.“ Ein Jahr später, so erzählt Carbinell, seien er und seine Gruppe nach Quirino zurückgekehrt und hätten dort 15 Wagenladungen mit frischem Holz gestoppt, weil ihnen die gültigen Papiere fehlten. Als sie am anderen Tag abreisten, „wurde auf meine Leute geschossen. Man hatte einen Baumstamm über die Straße gelegt. Unser Lastwagen verunglückte an diesem Baumstamm und kippte in den Graben. Zwei unserer Leute mußten daraufhin ins Krankenhaus.“

Im Januar 1988 wurde Antonio Dimpas, ein Ratsmitglied in Palawan, zu Hause erschossen, kurz nachdem er einen Lastwagen mit Holz angehalten hatte. Der Lastwagen gehörte angeblich einem philippinischen Polizeileutnant, und die Witwe des Ratsmitglieds beschuldigte die Leibwache des Leutnants, den Mord begangen zu haben. Der Fall ist bei einem regionalen Gericht in Palawan anhängig.

Auch katholische Priester sind bereits Opfer im Kampf gegen Rodungs-Firmen geworden, diese Vorfälle sind allerdings bis heute nicht aufgeklärt. Pater Mario Estorba, ein Missionar von „Divine Word“, der als Priester in Agusan del Sur, einer Pfarrgemeinde in Loreto arbeitete, wurde im Juli 1988 in der Stadt Butunan getötet. Nach den Aussagen eines seiner Vorgesetzten, Pater Ernesto Lagura, hatte Estorba zwei Wochen vor seinem Tod für die Arbeiter einer lokalen Holzfällerfirma eine Beschwerde beim Arbeitsamt eingereicht, weil ihnen noch Überstunden und Urlaubsgeld gezahlt werden mußte.

Präsident Aquino beauftragte das 'National Bureau of Investigation‘, mit der Aufklärung des Falles, doch eine Untersuchung fand bisher nicht statt. „Wir sind sehr enttäuscht, daß wir nichts erreichen konnten, sagt Lagura.

Priester, die den Stämmen helfen wollen, das von ihren Vorfahren überlassene Land zu beschützen, wurden ebenfalls unter Beschuß genommnen. Im südlichen Catabato wurde ein Priester, der bei den Tasasays arbeitete, im April 1988 ermordet, angeblich von einem Lehrer, der der „Civilian Home Defence Force“ angehörte, einer paramilitärischen Gruppe. Pater Carl Schmitz hat, gemeinsam mit anderen Priestern der Mission in Santa Cruz, inzwischen gegen die Rodungen und das Minenlegen heftig protestiert. „Man warf uns vor, wir seien Kommunisten, weil wir bei diesen ökologischen Fragen Klartext redeten“, meint Pater Sean McDonagh. Ein anderer Priester der Mission, Pater Roberto Wapano, kam mit dem Leben davon: Die Kugel verfehlte seinen Kopf um wenige Zentimeter. Auch Pater Rex Mansmann berichtet von Todesdrohungen.

In Mindanao wiederum wurden die Stammesmitglieder im Kampf gegen die Holzfäller von der kommunistische 'New People's Army‘ unterstützt. Chip Fay, Direktor des Asien-Projekts eines in Washington ansässigen Umweltpolitischen Instituts, berichtet, daß daraufhin ein Gebiet in Agusan del Norte schwer bombardiert worden sei. Andererseits haben auch kommunistische Aufstände dazu beigetragen, den Protest gegen die Umweltzerstörungen zu unterdrücken. Während die 'National Democratic Front‘ - eine Untergrundorganisation, die von der kommunistischen Partei der Philippinen angeführt wird - ihre Sorge um die Ökologie inzwischen ins Parteiprogramm aufgenommen hat, hält die „New People's Army“ es für wichtiger, Steuergelder von illegalen Holzfällern zu kassieren, um ihre eigenen Aktionen damit zu finanzieren.

Dazu kommt, daß die Nachrichten aus der Provinz oft gar nicht erst bis Manila gelangen. Enge Verbindungen zwischen Zeitungs-Verlegern und Geschäftsleuten sorgen oft dafür, daß Nachrichten schon in den lokalen Zeitungen gar nicht erscheinen. Und die Lokalreporter sind wegen ihrer niedrigen Bezahlung für Bestechungen besonders anfällig. Den Zeitungen und Fernsehstationen von Manila wiederum fehlt oft das Geld oder einfach das Interesse, um Reporter für Öko-Recherchen in weit abgelegene Gebiete zu schicken. Dinner und Todesdrohungen

Reporter aus Manila, die sich aufs Land begeben, müssen feststellen, daß der Zugang zur Materie an bestimmte Bedindungen geknüpft ist. „Man braucht die Gegenseite, um die story zu kriegen“, berichtet die freie Journalistin Marites Danguilan-Vitug. Bei den Vorbereitungen für die 'Probe-Team'-Sendung zum Beispiel flog sie mit dem PrivatHubschrauber des Rodungsunternehmers Alvarez und begleitete ihn in einem geliehenen Flugzeug zurück nach Manila. Anfang dieses Jahres, als sie über die Verwicklung eines einflußreichen Kongreßabgeordneten in die muri-ami -Fischfang-Affaire berichtete, ließ die Familie des Kongreßabgeordneten sie im Gemeindehaus wohnen und versorgte sie mit Essen. „Die Philippinen glauben, daß, wenn sie zu dir nett sind, du es auch umgekehrt bist. Sie denken nicht daran, daß ich meine Arbeit zu machen habe“, erklärt Vitug.

Schließich erhielt sie Morddrohungen, nachdem eine genauere Beschreibung von Alvarez im 'Manila Chronicle‘ erschienen war, später hatte sie wegen einer Veröffentlichung im 'Review‘ eine Verleumdungsklage am Hals. Diese Erfahrung veranlaßte sie, den 'Chronicle‘ zu bitten, den muro-ami -Bericht vor der Veröffentlichung zunächst einem Rechtsanwalt vorzulegen - eine Idee, die ihr noch niemals zuvor in den Sinn gekommen war.

Trotz aller Schwierigkeiten, das öffentliche Bewußtsein für Umweltfragen zu senisibilisieren, sieht es für die Zukunft besser aus. Eine neue Generation von Journalisten scheint das Problem der Langzeit-folgen von ökologischer Zerstörung begriffen zu haben, und die Aktivisten wissen mittlerweile um die politische Dimension ihrer Arbeit. Ihr Ziel ist eine Demokratisierung der natürlichen Ressourcen ihres Landes, sie wollen nun den den Beweis antreten, daß die Gemeinde der beste Umweltschützer ist. „Wir sind tatsächlich dabei, die Gesellschaft umzubauen, und zwar ohne das ideologische Gepäck der Linken“, resumiert Maximo Kalaw von der 'Haribon Foundation‘.

Margot Cohen ist freie Journalistin, sie lebt in Manila.

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