: „Schlimmer als das ganze Judenpack“
CSU-Bürgermeister läßt im Streit antisemitische Parolen los / Bayerische Justiz verfolgt den Fall nur zögernd / Ermittlungsverfahren gegen Kommunalpolitiker wird eingestellt / SPD-Abgeordneter vermutet dahinter Absprache mit bayerischem Justizministerium ■ Aus München Luitgard Koch
Im Oktober vergangenen Jahres im bayerischen Wirtshaus mit den örtlichen Honorationen des Reit- und Fahrvereins legt der fränkische CSU-Bürgermeister Werner Weber los. Als „Gesindel, Wegelagerer, schlimmer als das ganze Judenpack“, beschimpft der 55jährige Schreinermeister Weber die Vereinsvorsitzenden. Grund für die lautstarke Auseinandersetzung: Der ehrenamtliche Bürgermeister aus der 1.500-Seelen-Gemeinde Bruckberg bei Ansbach möchte Chef des Reitvereins werden. Doch der Verein will ihn nicht.
Die antisemitischen und menschenverachtenden Ausfälle ihres Bürgermeisters nehmen die Vereinsvorsitzenden jedoch nicht einfach hin. Sie gehen zum Notar und hinterlegen dort ihre Zeugenaussagen. Auch die Staatsanwaltschaft befaßt sich mit dem Fall und nimmt die Zeugenaussagen auf. Doch das Verfahren schleppt sich hin. Und deshalb will auch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde, das Landratsamt Ansbach von disziplinarrechtlichen Maßnahmen erst einmal nichts wissen. Bevor etwas unternommen werden könne, müsse das Ergebnis der Justiz vorliegen, windet sich der CSU-Landrat Georg Ehnes. Die Mühlen der Justiz jedoch mahlen weiterhin zäh. Am Ende wird das Verfahren eingestellt.
Für seine antisemitische Hetzparolen geht der Bürgermeister straffrei aus. Lediglich eine Geldbuße von 5.000 Mark soll der randalierende Schreinermeister zahlen. Das Geld soll der CSU-Politiker einem Unterstützungsverein, also für gute Zwecke, überweisen, entscheidet der Ansbacher Oberstaatsanwalt Horst Fürhäußer, einem Museum mit geschichtlichen Themen über das fränkische Judentum, das es noch gar nicht gibt und erst noch gegründet werden muß.
Dem SPD-Landtagsabgeordneten Klaus Sommerkorn ist die Vorgehensweise der Justiz freilich suspekt. Der Ansbacher SPD-Kreisrat vermutet, daß vor dem Einstellungsbeschluß Rücksprache mit der bayerischen Justizministerin Mathilde Berghofer-Weichner gehalten wurde. Die Ministerin des Freistaats habe die Einstellung des Verfahrens von der Verhängung einer Geldstrafe abhängig gemacht, glaubt Sommerkorn. Zu diesen „innerdienstlichen Vorgängen“ aber will sich Staatsanwalt Fürhäußer natürlich nicht äußern. Um doch noch Licht in die Angelegenheit zu bringen, hat der SPD -Abgeordnete eine Anfrage an die Staatsregierung eingereicht.
Um der Antwort der Anfrage nicht vorzugreifen, hüllt sich jetzt auch das Justizministerium in Schweigen. Auch die CSU hält sich bedeckt. Für den Ansbacher CSU-Kreisvorsitzenden und Staatssekretär im bayerischen Landwirtschaftsministerium, Hans Maurer, scheint der rassistische Vergleich seines Parteifreundes kein Problem zu sein. In Ansbacher CSU-Kreisen versichert man, daß der Fall ja gerichtlich geklärt und somit aus der Welt sei. Im Interesse der „politischen Hygiene“ und weil rechtsradikale Parteien gegenwärtig wieder stärker werden, dürfen extremistische und rassistische Haltungen nicht hingenommen werden, betont dagegen der SPD-Abgeordnete Sommerkorn. Er verlangt von den Christsozialen, daß sie aus dem Verhalten ihres Parteifreundes Konsequenzen ziehen.
Keinerlei Konsequenzen muß der Bürgermeister jedoch für seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter befürchten. Da gegen Weber keine strafrechtliche Verurteilung vorliegt, sieht der Ansbacher Landgerichtspräsident Rudolf Schmitt keinen Anlaß zu handeln.
Der Kommunalpolitiker wird also weiterhin als Schöffe bei Gericht sitzen. Bürgermeister Weber will mit der ganzen Geschichte nicht mehr behelligt werden, da über ihn sowieso „nur lauter Lügen verbreitet“ würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen