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FRAUEN SIND KEINE MÄNNER

■ Es quatschen, meckern, kolportieren die vier LiteratHuren in der UFA-Fabrik

Er stimmt ja gar nicht, der von der Frauenbewegung zu ihren Lebzeiten so leidenschaftlich beklagte Befund über den Geschlechterunterschied. Es galt damals - als Gegenstand untröstlicher Kritik wohlgemerkt und als endlich abzuschaffender Mißstand: Männer bearbeiten die Natur, Frauen sind Natur; er macht, sie ist. Diese lähmende Heiligsprechung von Weiblichkeit stammt aus der männlichen Ästhetik der Romantik; und, abgesehen von der Bewertungsumkehrung, gilt diese Hypothese über die Differenz, dachte ich, leider immer noch.

Aber nichts da, weit gefehlt! Es ist in diesen unseren befreiten Zeiten gemeinerweise mit den Männern und den Frauen doch längst um vieles vertrackter. Natürlich sind sie weiterhin die Macher, die Männer - natürliche Macher eben. Aber seit kurzem ist es, wie wir wissen, so, daß sie es nicht mehr allein und ausschließlich sollen sein dürfen. Frauen machen jetzt auch. Alles mögliche; eins nach dem andern möglichst; und am liebsten alles auf einmal. Es gibt ja so viel zu machen nach der langen, schrecklichen Zeit der Mach(t)losigkeit.

Und da stellt sich heraus, sie können machen, was sie wollen: immer ist der Mann, dieser Igel, schon längst da; und die Frauen können sich die Hacken abrennen, sie bleiben die angeschmierten Hasen beziehungsweise Häsinnen, sagt man jetzt ja besser.

Was haben aber, um Gottes willen, die LiteratHuren damit zu schaffen? Womit haben sie diesen Kulturschmetter-Anfall verdient?

1. Fall: Männer machen Kabarett, oder sie inszenieren eine Literaturlesung. Prima! Das guckt sich der Rezensent oder die Rezensentin - ganz egal - an und findet: sie haben es toll gemacht oder gar nicht toll gemacht. Die Vorführung war komisch oder peinlich, perfekt oder langweilig, klischiert oder raffiniert.

2. Fall: Eine gemischte Runde veranstaltet dasselbe. Mit derselben Wirkung. Außer, daß man zusätzlich findet: die „Lore Lorenz“ der Gruppe sieht toll beziehungsweise furchtbar aus. Und: singen kann sie ja wirklich/überhaupt nicht.

3. Fall: Ein Schwulenensemble tritt auf. Dito. Mit der Variante, daß der Heterorezensent findet: mutig, wie die da so selbstentblößerisch die Position der Herrschaft aufgeben! Und der Rezensentin, egal, wie sie es privat treibt, gefällt die Schrillheit womöglich oder das Weiblich-Verwandte.

4. Fall: Die Lesbentruppe. Die wird eingerahmt in eine Sonderbehandlung. Man befindet: Mensch, was die für Sorgen haben! Oder: komisch, das ist ja gar nicht so viel anders als bei uns. Wenn nicht Insiderinnen selber urteilen, dann gilt wieder Fall 1.

Nun aber der 4. Fall. Da treten auch ausschließlich Frauen auf, als Feministinnen sogar, aber sie halten es vorwiegend mit Männern. Prompt ist nichts mehr natürlich. Aber es gilt auch nicht der exklusive Sonderfall. Plötzlich geschieht es, daß ich - um ab jetzt lieber nur von mir zu reden - fast ohne es zu wollen, geradezu automatisch ins Vergleichen, ins Messen, ins Relativieren, ins Bonusurteil verfalle. Frauen sind nie zuerst zur Stelle, sie besitzen keinen „natürlichen“ öffentlichen Ort selbstverständlicher Rede. Jede Rede ist a priori Gegen-rede - ausdrücklich oder implizit. Und diese usurpatorische, diese unrechtmäßige, aber so berechtigte Inbesitznahme des Ortes selbstverständlicher Definitionsherrschaft bestimmt jede Geste, jeden Satz.

Immer ist alles, was sie - und eben auch die vier LiteratHuren - auf der Bühne tun und sagen, schon im ersten Schritt oder ersten Ton, selbst im Schweigen, eine Re -Aktion, ein Gegenhandeln, eine Antwort auf den „Normalfall“. Mir scheint, diese Falle läßt sich nicht umgehen, Frauen können sie nur als Not oder als Tugend handhaben.

Zur Not: Die vier Künstlerinnen, Cornelia Arnhold, Frederike Frei, Martina Frenzel und Doris Lerche, führen männliche Definitionen von Weiblichkeit vor, parodieren sie, treiben sie auf die Spitze, beklagen sie und verspotten sie. Da gibt es das Lied von der ewig bescheiden wartenden Geliebten und das von der Männergewalt aus Liebe; da werden vorgetragen „die 24 Gründe, warum eine Frau mit einem Mann vögelt“, 23 davon sind selbstverständlich rein alltagspragmatisch; da wird die Zenmode mit einem Tampontext veralbert oder das eine, was Männer, zum Glück, immer nur wollen. Es gibt die „sündige Frau“ und die mit dem Buchhändlerinnencharme. Und es gibt den frechen Schrei nach der eigenen Lust - nur, daß das Wort „eigene“ schon wieder in der Klemme des Zuspätgekommenseins, des quasi Sekundären, sitzt.

Das alles ist so nett, so lustig, so wahr wie bekannt und handelt eigentlich doch eher von den anderen Frauen, die leider immer noch ein bißchen blöder sind als du und ich oder zumindest ärmer dran.

Zur Tugend: Schärfer und spannender wird es, wenn die vier sich selber thematisieren, das heißt, die Funktionen vorführen, die sie, als echt-authentische Cornelia, Frederike, Martina, Doris, in der Kunstöffentlichkeit einnehmen beziehungsweise in die sie sich gezwängt sehen.

Wir erleben also die Künstlerin-Frau als Wechselbalg: oben hui und unten pfui. Witzig und intelligent soll sie schon sein, aber als Dreingabe hätte der Kunst- und Literaturbetrieb, dieses Hurengewerbe, halt gerne noch das glitzerige Tangahöschen unten rum oder den pinkfarbenen Bodystocking mit günstiger Busen- und Arschprofilierung. Um von Stöckelschuhlangbeinen gar nicht erst zu reden. Und der Witz ist, nicht nur die Damen auf der Bühne, auch ich und noch ein paar andere Frauen, denke ich, haben ja Spaß an beidem: am Hui oben und am Pfui unten. Nur selbstgewählt ist dieses siamesiche Modell „Wesen der Frau“ halt nicht. Und deswegen ein Kreuz.

Beängstigend geradezu, da so nahegehend, sind die vier, wenn sie, fast beiläufig, miteinander das Konkurrenz- und das Ausstechgehabe, das Alleingeltenwollen und das Nichtzuhörenkönnen praktizieren. Das ist wie aus dem richtigen Leben; und da handeln sie von sich selber.

Selber ausgedacht, komponiert, geschrieben und inszeniert haben sie ihr Programm sowieso. Das Publikum übrigens ist höchst gemischt und ziemlich stumm; einesteils, weil die Textkaskaden viel zu schnell und intelligent kamen, andernteils, weil die platteren Schlichtpartien nicht dick und deutlich genug sind. Und bei der Choreographie weiß man manchmal nicht, ob die langsam umständliche Unbeholfenheit Kunst oder Natur ist. Aber - siehe oben - Natur gibt es nicht für das Kunstprodukt Frau.

Und solange wir uns am „Mangel Frau“ entlangdefinieren, werden wir das Hase-und-Igel-Spiel nicht gewinnen. Einmal entkommt Frederike Frei diesem vergeblichen Rennen in ihrem „Ich will nicht sterben„-Auftritt. Der hat nichts mit Frau zu tun. Und der ist hervorragend. Und mit dieser großartigen Landung in der selbstgestellten Falle entläßt sich die ratlose Rezensentin schleunigst.

Christel Dormagen

Die LiteratHuren sind noch bis 10.September täglich, außer montags, in der UFA-Fabrik.

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