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Mittelständische Rüstungsbetriebe, von Paris gepflegt

In Frankreich ist die Förderung kleinerer Waffenproduzenten eingebettet in eine Superbehörde, die als Bindeglied zwischen staatlicher Verteidigungspolitik und der Industrie fungiert / Rüstungsexport-Beihilfen gibt's gleich nebenan / „Avantgarde-Struktur für Europa“ / Von der Außenpolitik zur Auslastungspolitik  ■  Aus Paris A. Smoltczyk

Daß Frankreich ein Paradies für Elefanten ist, denen mit der hohen Schule des gaullistischen Stamokap das Weltmarktniveau antrainiert wird, wußten wir bereits. Schließlich hatten die Leistungen der staatseigenen Rüstungsschmieden Dassault, Aerospatiale, Thomson-CSF und Matra die Nation Mitte der siebziger Jahre auf Platz drei der Weltrüstungsexporteure gehievt und alljährlich brav das Defizit der Handelsbilanz ausgebügelt. Doch Frankreichs Staat hat auch ein Herz für den Mittelstand im Rüstungsgewerbe.

Am 16. Februar vergangenen Jahres etwa trafen sich in Paris und in aller Stille der damalige Verteidigungsminister, der Außenhandelsminister und zweihundert Rüstungsindustrielle, allesamt von der gleichen brennenden Sorge erfüllt: Wie kann dem Mittelstand beim Rüstungsexport unter die Arme gegriffen werden? Denn leider, so wußten die Anwesenden, geht es den Staaten der Dritten Welt, in die 86 Prozent von Frankreichs Rüstungsexporten fließen, immer schlechter - so daß sie immer weniger Waffen bestellen und noch weniger bezahlen können. Und auch die Ölproduzenten litten bitterlich unter dem gesunkenen Preis für das flüssige Gold.

Die Lage war ernst und verlangte rasches Handeln. Ohne zu zögern, versprachen die Minister Linderung: Unverzüglich werde, so Verteidigungsminister Andre Giraud, der Staat den kleinen und mittleren Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten die Projektanbahnung finanziell absichern, wie es die Politiker bei den Elefanten der Branche schon längst tut. Außerdem werde der Artikel 29 des Haushaltsgesetzes auf den Mittelstand ausgeweitet. Darin verpflichtet sich die französische Armee, Rüstungsgüter aufzukaufen, die in Aussicht auf eine nahezu sichere Abnahme produziert, jedoch letztlich nicht abgenommen wurden.

Denn letzeres kann ja passieren in dieser unruhigen Welt. Kaum wurde etwa Alan Garcia zum peruanischen Regierungschef gewählt, bestellt er doch 14 bereits georderte „Mirage„ -Jäger ab - ohne Rücksicht auf die 16.600 Arbeitnehmer, die der Flugzeugbauer Dassault beschäftigt. Solche Unzuverlässigkeiten von Kunden können für den Mittelstand tödlich sein.

Außer der Abnahmegarantie versprach die Regierung in jener Krisensitzung, in Zukunft strenger zu sein, wenn ein ausländischer Rüstungsverkäufer davon Abstand nimmt, zur Verrechnung französische Militärprodukte zu kaufen. Bei derartigen Unverschämtheiten würden Industrie-, Außen-, Wirtschafts- und Verteidigungsministerium jetzt koordiniert reagieren. Schließlich hingen 1986 77.500 Arbeitsplätze direkt und indirekt vom Rüstungsexport ab. Kein Wunder also, daß dank Exporthilfen, Steuer- und Abgabenbefreiungen manche französischen Rüstungsgüter auf dem Weltmarkt um die Hälfte billiger sind als auf dem Inlandsmarkt.

„Wir besitzen mit unserer Generaldelegation für Rüstung (DGA) in Europa eine Avantgarde-Struktur, eine große Beschaffungsbehörde für die gesamte französische Industrie. Das ist auch notwendig bei 10.000 Betrieben, die dem Verteidigungsministerium zuliefern“, sagt Edouard Valensi, Direktor der „Mission Industrie“ der DGA. 73.100 Mitarbeiter beschäftigt die DGA - für Forschung, Produktion und Exportförderung. Die 2.000 Mitarbeiter der Qualitätskontrolle SIAR würden ständig vor Ort mit den mittelständischen Rüstungslieferanten zusammenarbeiten. „Für die zivilen Märkte ist es ein Gütesiegel, wenn jemand als anerkannter Rüstungsproduzent auftreten kann“, meint Valensi. Über die Höhe seines Kredittopfes schweigt er sich aus - aber „für gute Ideen ist immer genug Geld da“.

Der Logik dieses Apparats kann selbstverständlich, so weiß man in Frankreich, auch eine linke Regierung nicht entrinnen - weshalb die Sozialisten es auch gar nicht erst probierten. Und überhaupt: Erhöht denn Frankreichs Präsenz auf den internationalen Waffenmärkten nicht den Spielraum seiner Partei gegenüber den Großmächten, wie Premier Mauroy schon 1981 wußte?

Wenn Rüstungsfirmen Hilfe brauchten, waren auch die sozialistischen Verteidigungsminister zur Stelle. Als die Firma Luchaire 1982 vor dem Bankrott stand, schloß sie einen Vertrag mit dem Iran über die Lieferung von 500.000 Artilleriegranaten ab, die mit falschen Endverbraucher -Papieren verschifft wurden. Der Deal stand in direktem Widerspruch zur irak-freundlichen Außenpolitik der französischen Regierung - aber er wurde mit Wissen und Duldung des Verteidigungsministers Hernu abgewickelt. Honni soit qui mal y pense - selbst der Verteidigungsexperte der Opposition hatte Verständnis für derartige Praktiken der Exportförderung: „Die Firma Luchaire scheint sich mit ihren Waffenlieferungen an den Iran deshalb am Rand der Legalität bewegt zu haben, weil sie glaubte, nur diese Lösung könnte ihr Fortbestehen sichern“, sprach Fran?ois Fillon im Parlament - und ließ die Rüstungsexport -Hilfen im Haushaltsentwurf erhöhen. So einfach wird Außenpolitik zur Auslastungspolitik bestehender Kapazitäten.

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