: Man muß die REPs zum Reden zwingen
Zur Rolle der Republikaner - Vortrag bei einer Grünen-Veranstaltung in NRW am 9.9.1989 ■ D O K U M E N T A T I O N
1. Die Reps sind keine Faschisten, auch nicht Neo
Die pauschale Redeweise über „Neofaschisten, Republikaner und so weiter“ ist mehr als fahrlässig, sie ist tendenziös. Die selbstverständlich fließenden Übergänge zwischen Neofaschisten und Republikanern werden genutzt, um eine einzige braune Soße zu suggerieren. Der Zweck dieser Operation ist klar: Die Republikaner sollen unter das Schlimmste gefaßt werden, was deutsche Geschichte je hervor gebracht hat. Toleranz, Dialog, Demokratie schließen sich ihnen gegenüber so von vornherein aus. Jede linke Militanz wird automatisch legitim. Wichtig ist, worüber man redet. Ich rede über die REPs und ihre WählerInnen, also über Rechtsextreme (radikal sind sie nicht).
2. Der Aufschwung der REPs hat keinerlei soziale Ursachen
Die These von den sozialen Ursachen des Aufschwungs der Republikaner müßte eine rapide soziale Verelendung nach dem Tod von Franz-Josef Strauß nachweisen. Will man behaupten, das Anwachsen der sozialen Probleme habe sich nun endlich in Rechtsextremismus niedergeschlagen, so ergibt sich die Frage: Warum verdichten sich Ausländerfeindlichkeit und Wohnungsnot zu einem politischen Programm des Rechtsextremismus? Es läßt sich hier (wieder mal) keine Linie von objektiven sozialen Problemen zu subjektiven politischen Schlüssen ziehen. Die These von den sozialen Ursachen ist ebenfalls interessiert; interessiert nämlich an der Vorstellung, man könne den Rechtsextremen mit Wohnungen das Maul stopfen. Die zutiefst sozialdemokratisch -sozialistische Vorstellung vom Verhältnis von Fressen und Moral stimmt hier (wieder mal) nicht. Wer sich mit den REPs auseinandersetzt, muß über Politik und über Ideologie reden.
3. Der Aufschwung der REPs drückt den Niedergang des Rechtsextremismus in der BRD aus
Peter Glotz hat in einem Gespräch mit Schönhuber gesagt, er fühle sich heute als Entspannungspolitiker zum ersten Mal in der Mehrheit. Diese Einschätzung halte ich für richtig. Rechtsextremismus, Revisionismus und Revanchismus in der BRD haben aufgehört, sich von selbst zu verstehen. Sie sind nicht mehr heimliche und halblaute Staatsideologie. Selbst die CDU treibt sozialdemokratische Entspannungspolitik, inklusive Aufrüstung. Die Nachkriegszeit hat angefangen aufzuhören. Nirgendwo ist das deutlicher als beim Absterben des Antikommunismus. FJS hat dessen Ende noch selbst verkündet. Ein zweiter Pfeiler, der kippt. Auch in der Frauen- und in der Ökologiefrage ist der Durchbruch geschafft. Die Ökologie hat die altdeutschen Fragestellungen verdrängt, die Frauen haben die geistige und moralische Hegemonie gewonnen. Die Geschlechterrollen wandeln sich, was sehr viele Männer als eine rapide Rückwärtsbewegung empfinden. Gleichzeitig ist die BRD ein sehr tolerantes und offenes Land geworden - trotz allem. Jetzt tun sich diejenigen zusammen, die all das nicht wollen oder nicht so schnell können. Die REPs sind die Schutzgemeinschaft deutscher Mann. Sie sind ein Verein zur Rettung einer aussterbenden (Un-)Art. Sie werden den Niedergang nicht hindern, aber sie wehren sich.
4. Die REPs sind die letzten Zuckungen des Alt-Deutschen
Das sagt weder über die Dauer noch über die Gefährlichkeit dieser Zuckungen etwas aus. Im Gegenteil: Zerfallsprodukte können sehr gefährlich sein. Darum kann man die REPs nicht rechts liegen lassen. Man muß sie bekämpfen. Es ist dabei aber äußerst wichtig, welche Einstellung und Einschätzung dem politischen Kampf zugrunde liegt. Wer der Meinung ist, daß der Aufschwung der REPs die Rückkehr des Deutschen zu seinem wahren Unwesen ist, wird nicht gelassen sein können. Wer die REPs nur als normal ansieht - wie bei Nachbars -, wird sie nicht ernsthaft bekämpfen wollen. Sie können in ihrem Rückzugsgefecht nicht siegen, aber sie können viel Schaden anrichten.
5. Freiheit für die Feinde der Freiheit!
Aus Gründen, die mit den REPs nichts zu tun haben, aus ökologischer Notwendigkeit nämlich, braucht dieses Land eine umfassende Demokratisierung. Das läßt sich nicht mit einem demokratischen „Schotten dicht“ verbinden. Der Geist des „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“ produziert demokratische Ängstlichkeit anstatt den Mut zur Demokratie. Schon darum darf man den REPs nicht zumuten, was den Grünen seinerzeit zugemutet worden ist. Keine Berufsverbote, kein Ausschluß aus Ausschüssen, keine Verbote, keine Versammlungsverbote. Letzteres weder mit Hilfe der Polizei, noch autonom auf der Straße. Wer die REPs „nicht salonfähig“ machen will, redet als Salonlöwe und -löwin. Wer sie ächten will, hat die Zeichen der Zeit verkannt. Das geht schon nicht mehr. Daß die REPs nur politisch-argumentativ bekämpft werden können, ergibt sich mehr noch aus ihrem Charakter als Schutzgemeinschaft einer sterbenden Art. Ihre Argumente sind schlecht, wo sie überhaupt originär sind. Auf unseren Territorien (Frauen, Ökologie, Frieden) schlagen wir sie, wenn wir uns ein wenig konzentrieren. Auf ihren Feldern (Ausländerhetze, Revisionismus, Deutschlandpolitik) schlagen wir sie, wenn wir neu darüber nachdenken. Man muß sie zum Reden zwingen.
Wir sollten nichts tun, was die Protestattitüde der REPs nährt. Die Rolle REPs-gegen-Altparteien (unter Einschluß der Grünen selbstverständlich) ist ihre größte Stärke.
6. Es ist nicht alles nur dumm, was die REPs sagen
Dies nicht nur, weil sie soviel nachplappern und abschreiben. Die REPs stechen in die Tabublasen der anderen Parteien. Sie kreuzen quer zu den Lügendiskursen der anderen. Dafür gibt es verschiedene Beispiele. Hier nur die Deutschlandpolitik. Das Thema Deutsch-Deutsch explodiert gegenwärtig. Die Grünen kommen mit ihrer Zweistaatlichkeitsargumentation keinen Schritt mehr weiter. Darum erzählt jeder was anderes. Dabei nähern sich einige der Hallstein-Doktrin an, andere erheben den deutschen Flüchtling zum Flüchtling de luxe, wieder andere rufen „bleibt doch drüben und macht Revolution“. Der SPD wiederum hat Volker Rühe nicht ganz zu Unrecht vorgeworfen, zu lange, zu intim und zu exklusiv mit den Herrschenden im Osten agiert zu haben. Der SPD scheint das SED-SPD-Papier heute schon peinlich zu sein. Mit der klassischen Entspannungspolitik hat die SPD zwar Erfolg gehabt, mit der Folge allerdings, daß sie nicht mehr funktioniert. Noch weiß die SPD keine Alternative. Und die CDU steht vor dem Dilemma der SPD, weil sie deren Politik nachmachte. Zusätzlich müssen sie altdeutsch tun und sind es sogar teilweise. „Aus und Übersiedler rein, Ausländer raus! Zonis rein und Zonis drübenbleiben!“ Das kapiert nicht, wer vor leibhaftigen Polen (mit schwarz-rot-goldenem Blut), Sachsen und Türken steht. Wiedervereinigung? Wie peinlich das Thema für die CDU.
Die REPs können darum so tun, als redeten sie Klartext und wären die einzigen mit einer klaren Linie. Das bringt sie zwar in Widerspruch zu der Hälfte ihrer Wähler, weil die keine Zonis hier haben wollen. Aber einer Protestpartei verzeiht man solche Widersprüche leicht. Ein bißchen mehr Ehrlichkeit in der Deutschlandpolitik würde den REPs schon schön schaden.
Die etablierten Parteien sollten die gemeinsam gehegten Tabus selbst brechen. Das setzt Mut auch für die Grünen voraus und eine neue Radikalität. Im Umgang mit den REPs sind Gelassenheit in der Politik und Genauigkeit in der Argumentation die besten Mittel.
Bernd Ulrich, Mitarbeiter beim Vorstand der Bundestagsfraktion der Grünen und Mitglied der „Aufbruch„ -Gruppe
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