: ChinesInnen bleibt nichts als Hoffnung
100 Tage nach dem Massaker in Peking: Ausstellung in Hamburg / In Gründung: Föderation für Demokratie in China ■ Von Ute Scheub
Hamburg (taz) - „Wir haben nur die Hoffnung, daß unser Tod am Ende der Anfang von allem ist“, schrieben verzweifelte Pekinger Studenten nach dem Massaker. Ihr Gedicht hängt in einer Ausstellung mit Fotos und Textdokumenten, die die deutsch-chinesische Freundschaftsgesellschaft in Hamburg 100 Tage nach dem Pekinger Blutbad eröffnete. Auch Li Bo, Vorsitzender des Bundes chinesischer Studenten und Wissenschaftler in der BRD, gab sich in seiner Eröffnungsrede trotz des tragischen Anlasses nicht völlig hoffnungslos: „Ich glaube nicht, daß die totale Unterdrückung Erfolg hat.“
Zwar sei die Repression immens. Rund 200 Oppositionelle seien bislang heimlich hingerichtet worden. In den Universitäten sei ein „gedanklicher Säuberungsprozeß“ im Gange, über 50 neue Parolen der Partei und „die alte Heldentatenorgie“ müßten ständig heruntergeleiert werden. „Aber in Wirklichkeit“, so Li Bo optimistisch, „ist die Demokratiebewegung nicht niedergeschlagen worden. Ihr altes Ziel, die Aufklärung, geht jetzt in neuer Form weiter“ und werde nun in die strategisch wichtigen Provinzen getragen.
Li Bo hält es nicht für ausgeschlossen, daß nach dem Tod des greisen Diktators Deng die mittleren Kader in den Provinzen mehr Macht erlangen und es vielleicht sogar zu einem Kampf zwischen Provinzen und der Pekinger Zentrale kommt. Deshalb sei es auch so wichtig, jede Chance zu nutzen, „um die Partei zu spalten und die Provinzen zu unterstützen“. Sanktionen betrachtet er daher differenziert: „Keine Kredite für Peking, aber Privatkredite und Joint -ventures für die Provinzen.“
Li Bo, der gerade aus Paris zurückkehrte, berichtete außerdem, daß ins Ausland geflüchtete Dissidenten bald eine Liga oder Föderation für Demokratie in China gründen wollten. Die Föderation wolle vor allem internationale Öffentlichkeitsarbeit betreiben und in täglichen Funktionärsbriefen an Mitglieder der KP Chinas Material lancieren. Ihr Ziel sei unter anderem, in China einen Rechtsstaat und eine demokratisch-föderative Struktur zu installieren, in deren Rahmen auch die Probleme mit Taiwan, Hongkong und Tibet gelöst werden könnten. In wirtschaftlicher Hinsicht werde eine Mischform angestrebt: Genossenschaften auf dem Land, viele kleine Privatunternehmen in den Städten und Staatsunternehmen mit privaten Führungsmethoden. Vom Kapitalismus grenzte sich Li Bo mit einem originellen Argument ab: „Dengs Sohn kauft Farbfernseher in Hongkong für, sagen wir, 1.000 Mark und verkauft sie für 1.500 weiter. In der Marktwirtschaft ist die Korruption legalisiert.“
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