: Eine vermißte kritische Distanz-betr.: "Die deutsch/deutsche "Flüchtlings"-Story in der taz vom 12.9.89
betr.: Die deutsch/deutsche „Flüchtlings„-Story in der
taz vom 12.9.89
Eure Berichterstattung zur „Flüchtlings„-Story hat mich insgesamt mehr als enttäuscht. Das meiste war reine Reportage, wie sie in jeder anderen Zeitung auch stand oder hätte stehen können. Manchmal ein bißchen Ironie in den Titeln, aber Euer Vokabular. Ich habe kritische Distanz zu den Ereignissen und zu dem allgemeinen Medienrummel vermißt.
Vor mir liegt jetzt die taz-Ausgabe vom 12.9. mit dem „freudetrunkenen“ Titelfoto und den Artikeln „Man lebt nur einmal“ und „Trabi frei nach Westen“, die mich vollends entsetzt hat. „Erschöpft aber happy“, und „seit zwei Jahren auf diesen Moment gewartet“, die „zitternden Finger“, das winkende ältere Ehepaar auf der Autobahnbrücke, die Luftballonherzchen vor der Nibelungenhalle in Passau, der Begrüßungstrunk und das Obst, das gespendet wurde und schließlich das ganze Gesülze der etablierten PolitikerInnen im Wortlaut. Im anderen erwähnten Artikel von Heide Platen das gleiche. Das reihte sich bruchlos in die unsägliche Berichterstattung des Fernsehens jeden Abend, gipfelnd in der Sendung am Montag, 11.9., ein.
Wann laßt Ihr Eure kritischen Leute zu diesem Thema endlich mal ran an die Feder?
Ich wünschte, Asylsuchende und politisch Verfolgte aus allen Ländern, in denen tagtäglich die Menschenrechte verletzt werden und in denen Folter an der Tagesordnung sind, würden mit einem einzigen aufmunterndem „Willkommen bei uns, es wird schon werden“ an der Grenze empfangen. Dann bedürfte es keiner albernen Luftballonherzchen.
Rose Stotz, Köln 41
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