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Politische Zensur für unliebsamen Türken

■ Bayerns Innenminister weist Stadt Nürnberg an, einem 26jährigen Türken die politische Betätigung einzuschränken

Nürnberg (taz) - Das bayerische Innenministerium legt den Fall Yürü nicht zu den Akten. Im Gegenteil. Entsprechend einer Bitte aus München hat die Regierung von Mittelfranken als zuständige Rechtsaufsicht die Stadt Nürnberg angewiesen, die politische Betätigung des 26jährigen Türken Cengiz Yürü nach dem Ausländerrecht massiv zu beschränken. Yürü darf danach weder mündlich noch schriftlich für den „Arbeiterbund zum Wiederaufbau der KPD“ oder die „Initiative für die Vereinigung der revolutionären Jugend“ tätig werden. Untersagt wird ihm auch, die Bundes- oder eine Landesregierung als „imperialistisch“ zu beschimpfen und „kämpferisch gegen die Bundeswehr aufzutreten“. Die jahrelange Auseinandersetzung um Yürü geht damit in die nächste Runde.

Aufgrund von Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hatte das Innenministerium die Stadt am 26.9.88 gebeten, nicht nur die politische Betätigung, sondern auch den Aufenthalt des Ausländers auf den Bereich Mittelfranken zu beschränken. Nach öffentlichen Protesten rang sich die Stadt Nürnberg im März dieses Jahres durch, ein derartiges Ansinnen abzulehnen. Sie stellte das Verfahren gegen Yürü ein. „Aus Zweckmäßigkeitsgründen“ werde die Stadt die „verfassungsfeindliche Betätigung beobachtend hinnehmen“, erklärte Nürnbergs Rechtsreferent Sauber. Auf Anfrage leitete die Stadt die Akten nach München weiter. Eine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. In einem Schreiben hielt Innenminister Stoiber Mitte Juni eine Beschränkung der politischen Betätigung weiterhin für erforderlich, da andernfalls die „freiheitlich demokratische Grundordung ernsthaft gefährdet“ sei. Für den Fall, daß die Stadt nicht entsprechend handeln sollte, kündigte Stoiber ein kommunalaufsichtliches Verfahren an. Mit der Weisung der mittelfränkischen Regierung ist das jetzt in die Wege geleitet worden.

bs

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