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Neuer VS-Abhör- skandal in Berlin

■ Jahrelange Lauschaktion der Verfassungsschützer gegen Angeklagte oder Verteidiger im Fall Schmücker wurde überraschend aufgedeckt

Der an Geheimdienst-Verwicklungen ohnehin nicht arme Schmücker-Prozeß ist um einen neuen Verfassungsschutzskandal reicher. Jüngste Variante: Der Verfassungsschutz hat ohne Wissen seines obersten Dienstherrn, des Innensenators, noch bis Ende letzter Woche eine unmittelbar an diesem Prozeß beteiligte Person überwachen lassen. Eine solche Überwachung, die in Berlin nur mit Billigung und Amtshilfe der Alliierten durchgeführt werden kann, schließt die Kontrolle des gesamten Briefverkehrs und das Abhören des Telefons ein. Bei dem mittlerweile dreizehn Jahre dauernden Schmücker-Verfahren geht es um die Ermordung des Berliner Studenten Ulrich Schmücker, der kurz vor seinem gewaltsamen Tod in der linken Szene als V-Mann enttarnt worden war. Der Beteiligung an der Ermordung Schmückers werden fünf Angeklagte beschuldigt, gegen die im kommenden Jahr das Verfahren zum vierten Mal aufgerollt wird.

Gegen wen genau sich die jetzt bekanntgewordene jahrelange Abhöraktion gerichtet hat, ist bisher noch unklar, da dieser Komplex am Donnerstag nachmittag in den streng geheimen Teil der Sitzung des Parlamentsausschusses zur Durchleuchtung des Verfassungsschutzes verbannt wurde. Aus dem, was bisher bekannt wurde, läßt sich jedoch unschwer folgern, daß die Lauschaktion entweder eine/r der fünf Angeklagten oder aber einem ihrer Anwälte galt.

Innensenator Pätzold hatte am Donnerstag während des öffentlichen Teils der Sitzung des VS-Ausschusses schon angedeutet, es gebe neben dem jüngst bekanntgewordenen Einflußversuch eines leitenden Verfassungsschutzbeamten auf den Schmücker-Prozeß einen weiteren „noch schwerer wiegenden Fall“. Näheres wollte Pätzold jedoch wegen der Vertraulichkeit der Sitzung nicht sagen. Gestern berichtete nun die aus Sicherheitskreisen gewöhnlich gut unterrichtete 'Morgenpost‘, daß es sich bei diesem „noch schwerer wiegenden Fall“ um die jahrelange Überwachung einer Person im Zusammenhang mit dem Schmücker-Verfahren handele. Die Abhöraktion habe ohne Wissen Pätzolds bis Ende letzter Woche angedauert. Erst am vergangenen Freitag habe der Innensenator von der Aktion erfahren und sie sofort gestoppt.

Die Alternative Liste, die im VS-Ausschuß mitvertreten ist, erklärte gestern in einer Pressemitteilung, der jetzt bekanntgewordene Vorgang, der noch unter Verschluß liegt, müsse Eingang in die Prozeßakten des Schmücker-Verfahrens finden. Er werde dort von „entscheidender Bedeutung sein“.

Nach den jüngsten Erkenntnissen müßten sich öffentlichkeit und Parlament die Frage stellen, ob der Schmücker-Prozeß überhaupt noch durchgeführt werden kann. Nach Ansicht der AL hat der Staat durch eigenes Handeln nunmehr einen Strafverfolgsanspruch in dem Mordfall Schmücker verwirkt. Nach dieser Formulierung kann es sich bei der überwachten Person nur um eine/n der Angeklagten gehandelt haben oder um einen der Anwälte.

Ve.

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