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Insel-Grüne: Kiffen statt gebären

Der Parteitag der britischen Grünen ging am Wochenende in Wolverhampton zu Ende / Wegweisender bevölkerungspolitischer Vorschlag / Künftig nur noch Delegierte auf dem Parteitag zugelassen  ■  Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) - Auf dem viertägigen Parteitag der britischen Grünen, der gestern in Wolverhampton zu Ende ging, traten scharfe Differenzen zwischen „Fundis“ und „Realos“ auf. In ihrer Eröffnungsrede warnte die bekannteste Sprecherin der Grünen, Sara Parkin, daß der wachsende Erfolg zu einer Unterwanderung der Partei „durch Parasiten von links und rechts“ führen könne. Diese Warnung richtete sich eindeutig gegen den Fundi-Flügel, dessen Vertreter Derek Wall vor kurzem in das oberste Parteigremium gewählt worden war. Sara Parkin sprach sich außerdem für ein Abkommen mit der Labour -Party aus, um gemeinsam gegen das „undemokratische britische Mehrheitswahlrecht“ zugunsten proportionaler Repräsentation zu kämpfen.

Der dem linken Flügel angehörende Labour-Abgeordnete Ken Livingstone, der am Grünen-Parteitag als Beobachter teilnahm, dämpfte diese Hoffnungen jedoch: Labour reite zur Zeit auf einer Erfolgswelle und werde nur dann an einer Initiative gegen das Mehrheitswahlrecht teilnehmen, falls die nächsten Parlamentswahlen verloren werden.

Die Mitgliederzahl der Grünen hat sich in den vergangenen zwölf Monaten auf über 15.000 verdoppelt. Deshalb wurde beschlossen, in Zukunft nur noch Delegierte zum Parteitag zuzulassen. Jede Sitzung des Parteitags wurde mit ein paar Minuten der „inneren Einkehr“ begonnen, um sich auf die bevorstehenden Debatten vorzubereiten.

Die Grünen halten weiterhin an dem Ziel der Bevölkerungsreduzierung fest. Nur so lasse sich eine vernünftige Umweltpolitik durchsetzen. Allerdings wurden in Wolverhampton die Zahlenangaben zu diesem Punkt aus dem Programm gestrichen, weil ein „totalitäres Regime diese Zahlen zu repressiven Maßnahmen der Geburtenkontrolle mißbrauchen“ könne.

Die Grünen setzen dagegen auf Cannabis. Ihre Forderung nach Legalisierung von Cannabis stimme mit dem Ziel einer Bevölkerungsreduzierung überein. Linda Hendry aus Edinburgh sagte: „Cannabis verringert bekanntermaßen die Anzahl der Spermien bei Männern und die Aktivität der Hormone bei Frauen. Die Menschen können also ihr Cannabis in dem Bewußtsein genießen, gleichzeitig etwas für die Reduzierung der Bevölkerung zu tun.“

Der diesjährige Parteitag fand zum ersten Mal in der 16jährigen Geschichte der Grünen die ungeteilte Aufmerksamkeit der Medien. Während im letzten Jahr nur 20 JournalistInnen gekommen waren, nahmen am Wochenende in Wolverhampton über 500 teil.

Grund für das erwachte Interesse war der Erfolg der Grünen bei den Europawahlen im Juni. Damals gewann die Partei zwar 15 Prozent der Stimmen, aufgrund des Mehrheitswahlrechts jedoch keinen Sitz.

Obwohl die britischen Grünen behaupten, Europas älteste grüne Partei zu sein, haben sie bis heute kein Programm in den Bereichen Wohnungsbau, Justiz, Medienpolitik sowie Wissenschaft und Technik entwickelt.

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