: Neue Proteste gegen Rushdie
■ Ein Jahr nach der Erstveröffentlichung der „Satanischen Verse“ ist eine Taschenbuchausgabe im Gespräch Moslems kündigen Demonstrationen an / PEN-Kongreß will sich mit der Verfolgung des Autors befassen
London/Toronto (taz) - Der größte britische Verlag Penguin hat Salman Rushdie einen Termin für die Veröffentlichung eine Taschenbuchausgabe seiner Satanischen Verse mitgeteilt. Das behauptete der 'Observer‘ am vergangenen Sonntag. Das Datum werde geheimgehalten, um nicht gewaltsame Proteste moslemischer Gruppen in Großbritannien auszulösen. Bereits am Sonntag beschlossen führende Moslems in Großbritannien, ihre Kampagne gegen den Buchverleger zu verschärfen. Liaqat Hussain, Sekretär beim „Rat der Moscheen“ in Bradford, kündigte an, daß im Oktober landesweit rund 50 Demonstrationen gegen das „blasphemische Buch“ stattfinden.
Die Satanischen Verse wurden heute vor einem Jahr von dem Penguin-Unternehmen Viking Publishers veröffentlicht. Seit Ayatollah Khomeini das Todesurteil über Rushdie im Februar verhängt hat, kam es zu einer Serie von Anschlägen auf Buchläden des Verlags. Erst vor zwei Wochen explodierte vor dem Penguin-Laden in York eine Bombe, drei weitere Sprengkörper in anderen britischen Städten konnten entschärft werden. Der in England lebende Rushdie hält sich seit dem Todesurteil versteckt. Die offiziellen moslemischen Organisationen in Großbritannien lehnen Gewaltanwendung jedoch ab.
Der Penguin-Verlag hat keine Stellungnahme zur Herausgabe der Taschenbuchversion abgegeben. Ein Sprecher des Verlages sagte am Sonntag, daß Rushdie und verschiedene andere Penguin-Autoren die Veröffentlichung befürworten. Er bestritt, daß die Autoren angedroht hätten, den Verlag zu verlassen, falls Penguin sich gegen die Taschenbuchausgabe entscheide. Im Frühjahr hatte die Verlagsleitung den gemäßigten moslemischen Organisationen inoffiziell angeboten, von der Herausgabe der Satanischen Verse als Taschenbuch abzusehen, wenn die Kampagne gegen das Buch heruntergeschraubt würde.
Von der gebundenen Ausgabe sind nach Schätzungen bisher 200.000 Exemplare zum Preis von knapp 42 Mark verkauft worden. Die Satanischen Verse liegen noch immer auf Platz sechs der britischen Bestsellerliste. Normalerweise werden erfolgreiche Bücher ein Jahr nach ihrem Erscheinen als Taschenbuch veröffentlicht. Der Rat der Moscheen in Bradford beschuldigte Penguin, ein Maximum an Profit auf Kosten der Rechte und Gefühle von Moslems zu machen. Im Penguin-Verlag selbst sind die Meinungen geteilt. Während viele Angestellte für das „Recht des freien Wortes“ eintreten, lehnen andere es ab, das Risiko für die Mitarbeiter des Verlages und der Buchläden zu erhöhen. Für den Fall, daß Penguin auf die Taschenbuchausgabe verzichten sollte, haben mehrere andere britische Verlage die Übernahme der Lizenz angeboten. Mit den Drohungen gegen Salman Rushdie wollen sich auch die SchriftstellerInnen befassen, die seit gestern in Toronto auf dem 54. Internationalen PEN-Kongreß tagen. Zentrales Thema des PEN-Kongresses sind Zensur und Unterdrückung von Schriftstellern.
Ralf Sotscheck
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