: Prager Besetzer dürfen raus
■ Vogel garantiert DDR-BürgerInnen in der Prager Botschaft Ausreise nach Rückkehr in die DDR / Neuester Flüchtlingsreport: 21.424 kamen via Österreich
Berlin (taz) - Rechtsanwalt Vogel, in Sachen DDR-Flüchtlinge rastlos tätiger Honecker-Vertrauter, hat den fast 1.200 DDR -Bürgern in der Prager Botschaft der BRD die Ausreise in den Westen innerhalb von sechs Monaten garantiert. Vorausgesetzt sie kehren vorher in die DDR zurück. Neben Vogel sollen sich - einer Aussage des Sprechers der Flüchtlinge zufolge - auch die beiden anwesenden westdeutschen Staatssekretäre Sudhoff und Priesnitz dafür verbürgt haben, daß Vogels Zusage eingehalten wird. „Die Bundis werden uns doch nicht reinlegen“, erklärte der Sprecher. „Wir werden jetzt in jedem Zelt nachdenken“, sagte einer der „Eingeschlossenen von Prag“.
Mittlerweile haben die DDR-Behörden die Kontrollen an der Oder-Grenze verschärft. Auch Reisende mit gültigem Visum werden zurückgewiesen, einige DDRler haben die Oder schwimmend überquert. Wer sich in Warschau zur Botschaft durchgeschlagen hat, trifft dort auf etwas lockerere Verhältnisse als in Prag. Die bislang 400 Flüchtlinge wohnen nicht nur im Botschaftsgebäude und dem ehemaligen Priesterseminar sondern auch in zur Zeit freien Dienstwohnungen und bei Freunden. Die Kinder der DDR -Flüchtlinge besuchen die deutsche Botschaftsschule, deren Personal verstärkt wurde - durch eine geflüchtete DDR -Lehrerin.
Statistiker vermelden, daß seit dem 11. September 21.424 DDR-Flüchtlinge die österreichische Staatsgrenze in Richtung Westen passiert haben. In der BRD wetteifern derweil die großen Parteien mit Beteuerungen, die Reformkräfte in der DDR unterstützen zu wollen. Diepgen (CDU) löckte wider den CDU-Stachel, indem er erklärte: „Wir müssen den Blockparteien helfen, sich aus ihrer Klammer zu befreien.“ Vogel (SPD) begrüßte das Treffen des unter Reformverdacht stehenden Hans Modrow (Dresden/SED) mit Lothar Späth (CDU) und verurteilte gleichzeitig die Weigerung der CDU-Führung, Gespräche mit der SED bzw. Ost-CDU zu führen. Erhard Eppler (SPD) erklärte philosophisch: „Die deutsche Frage ist selbstverständlich so offen wie die Weltgeschichte.“
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