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Unverzüglich, kommunal und unbefristet

■ Ausländerwahlrecht: SPD weist verfassungsrechtliche Einwände der CDU zurück / Sozialdemokraten wollen aber den vorläufigen Entscheid des BVG abwarten Etwa gleich viele Männer und Frauen erfüllen Voraussetzung für Wahlberechtigung / Gesetzentwurf kann durch den geplanten Ausländererlaß noch verbessert werden

Mit sicherem Gespür fürs Timing präsentierte gestern die SPD ihr Bekenntnis zum kommunalen Ausländerwahlrecht - zwei Tage, nachdem der CDU-Fraktionsvorsitzende Diepgen Unfrieden in der Stadt und Verfassungsbruch für den Fall der Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts angekündigt hatte, einen Tag, bevor sich die Vollversammlung der AL mit dem Thema befassen will. Verfassungsrechtliche Bedenken der CDU wies Staffelt unter Hinweis auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes (WPD) aus dem Jahre 1983 zurück. Der WPD kam damals zu dem Schluß, daß zu Kommunalwahlen ausdrücklich die „Bevölkerung der Gebietskörperschaft“ berufen sei, was AusländerInnen mit einschließt.

Bei aller Entschlossenheit besteht die SPD weiterhin darauf, erst den vorläufigen Entscheid des Bundesverfassungsgerichts zum kommunalen Ausländerwahlrecht in Schleswig-Holstein abzuwarten, bevor man den Entwurf „unverzüglich“ ins Parlament einbringe. Er habe der AL den 30. November bewußt als Termin genannt, um genügend Spielraum für die Einarbeitung juristischer Feinheiten zu haben, sagte Staffelt. „Wir sind daran interessiert, einen wasserdichten Antrag einzubringen.“ Die SPD geht davon aus, daß die parlamentarischen Beratungen ein Vierteljahr bis sechs Monate in Anspruch nehmen werden.

Nach ausdauerndem Krötenschlucken könnte sich die AL just an diesem Punkt entschließen, zur Abwechslung der SPD einen Frosch zu servieren: der Ausländerbereich will die AL-Basis heute um Zustimmung bitten, den von SPD- und AL-ExpertInnen ausgearbeiteten Gesetzentwurf noch vor dem 11. Oktober im Alleingang auf den parlamentarischen Weg zu bringen. Nur unter dieser Maßgabe habe sie dem Entwurf überhaupt zugestimmt, erklärte Ines Sprenger vom AL-Ausländerbereich. Damit wolle man unabhängig von den Verfassungsrichtern den politischen Willen deutlich machen.

Kritik ist innerhalb der AL nicht nur am Zeitplan, sondern auch an der Formulierung des Gesetzentwurfes laut geworden. Stimmberechtigt wären demnach alle AusländerInnen, die bis zu den nächsten Wahlen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis vorweisen können. Die bekommt, wer mindestens fünf Jahre in Berlin gelebt hat, ausreichend Wohnraum, Sprachkenntnisse und eine Arbeitsbescheinigung nachweisen kann. Nach Auskunft aus dem Büro der Ausländerbeauftragten waren Ende 1988 rund 112.000 - also etwa die Hälfte - aller in Berlin lebenden AusländerInnen im wahlfähigen Alter entweder im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsberechtigung. Würde morgen gewählt, könnten zum Beispiel rund 75 Prozent der TürkInnen in Berlin ihren Stimmzettel für die BVVs abgeben - wobei etwa gleich viele Männer wie Frauen im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sind. Sollte die Legislaturperiode in vier Jahren ein natürliches Ende nehmen, werden zu diesem Zeitpunkt natürlich mehr AusländerInnen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis aufweisen.

Moniert wurde innerhalb der AL, daß zum Beispiel StudentInnen befristeter Aufenthaltserlaubnis oder Flüchtlinge mit einer Duldung vom Wahlrecht ausgeschlossen bleiben, aber auch AusländerInnen, die beispielsweise von der Sozialhilfe leben müssen. In diesem Fall kann allerdings nach Ansicht von Rechtsanwalt Mathias Zieger „nachgebessert“ werden. Die Ausgrenzung bestimmter AusländerInnen stütze sich noch auf den „Kewenig-Erlaß“, der die Bedingungen für eine Aufenthaltserlaubnis regele.

„Jetzt kommt es darauf an, wie die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis im neuen Ausländererlaß formuliert werden. Auf diese Weise könnte der Kreis der wahlberechtigten AusländerInnen erweitert werden.“ Die Kritik mancher ALer, durch die Formulierung des Gesetzentwurfes würden ausländische Frauen benachteiligt, konnte Zieger allerdings nicht nachvollziehen. Er wies darauf hin, daß es beispielsweise für ausländische EhegattInnen von Deutschen oder bereits hier lebenden Ausländern möglich ist, schon nach drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und damit das Wahlrecht zu erlangen.

Von seinem Wahlrecht Gebrauch machen kann letztlich aber nur, wer auch davon weiß. Die Ausländerbehörde kommt nach Erfahrungen von Anwälten und Ausländerorganisationen ihrer Informationspflicht nur selten nach. Viele AusländerInnen, die länger als fünf Jahre in Berlin leben, werden nicht darauf hingewiesen, daß sie Anrecht auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben. „Das muß in Zukunft disziplinarrechtlich geregelt werden“, sagt Anwalt Zieger. Ist das kommunale Ausländerwahlrecht denn endlich durchgesetzt, müssen sich die Befürworter Gedanken um eine Aufklärungskampagne machen.

Eines können die ExpertInnen von AL und SPD in Anspruch nehmen - allen Kompromissen zum Trotz: Der Entwurf geht klar über das Gegenstück des Hamburger Senats hinaus. Nur wer acht Jahre im Bundesgebiet gelebt hat, darf die vergleichsweise machtlosen Bezirksparlamente in der Hansestadt mitwählen. Vom Gesetzestext der Kieler Sozialdemokraten ganz zu schweigen.

anb

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