: Der Wind bläst Rot-Grün ins Gesicht
■ Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am Sonntag hat nicht nur die CDU verloren
Wo immer in den Kommunalparlamenten Rot und Grün zusammen regiert haben - die WählerInnen haben es nicht honoriert. So bleibt der Jubel über geknackte schwarze Bastionen in Aachen und Krefeld gedämpft. Vor allem aber: Die „Republikaner“ werden wohl 1990 den Sprung in den Landtag schaffen. (Kommentar Seite 8)
Nur einmal steigt der Geräuschpegel in der Düsseldorfer Staatskanzlei an diesem Sonntag abend merklich an. Gerade hat der WDR-Moderator Norbert Blüm gefragt, mit welchem Konzept er denn nun zur Landtagswahl antreten wolle, als ein vorwitziger Staatskanzleimitarbeiter in Richtung Mattscheibe schon die vermeintliche Blüm-Antwort herausposaunt: „Weiter volle Pulle.“ Ein Volltreffer, denn Sekunden später tönt Blüm via Mattscheibe: „Volle Pulle für die CDU, die SPD überholen.“ Da kommt Freude auf.
Doch das schallende Gelächter währt nicht lange. In der Regierungszentrale geben sich die Genossen zwar gemäßigt optimistisch, doch tatsächlich ist die Enttäuschung über den mageren Zugewinn von 0,4 auf jetzt 42,9 Prozent überall spürbar. Rau spricht dennoch davon, sein Wahlziel - stärkste Partei zu werden und den Abstand zwischen SPD und CDU zu vergrößern - erreicht zu haben. Die Ausgangslage für die kommende Landtagswahl sei im Vergleich zu 1984 eher besser. Ein Jahr nach der 84er Kommunalwahl hatte die SPD die Landtagswahl mit 52,1 Prozent gewonnen. Anfang des Jahres hatte Rau sich im Wahlhandbuch seiner Partei noch „die örtliche Zustimmung bei der Landtagswahl 1985 bei der Kommunalwahl am 1.Oktober in den Städten und Kreisen zum Ziel“ gesetzt.
Dieser Wunsch erfüllte sich nicht. Wie die SPD diese Lücke schließen will, deutete Umweltminister Klaus Matthiesen schon am Sonntag an. Bei der Landtagswahl im nächsten Jahr gehe es um die Alternative zwischen „Chaos oder Ordnung“, das werde man zum Thema machen. Auf diesem Wege sei die absolute Mehrheit erneut zu schaffen. Bodo Hombach, der Wahlkampfleiter der SPD, der während der vergangenen Monate für seine Partei Hoffnungen auf nachhaltige Zuwächse genährt hatte, gab sich am Sonntag gefaßt. Jetzt sei jedem Sozialdemokraten wenigstens klar, daß noch längst nicht alles gelaufen sei. Die Gefahr der „Selbstgefälligkeit“ im Hinblick auf die Landtagswahl sei damit gebannt. Auch so kann man die eigene Enttäuschung umschreiben.
Die einzigen, die sich uneingeschränkt an ihrem Ergebnis labten, waren die Freidemokraten. Sie legten um 1,7 auf 6,5 Prozent zu. Landesvorsitzender Möllemann sprach gleich von einem „Traumergebnis“. Am Montag gab es von ihm dann deutliche Signale in Richtung Landtagswahl.
Der Bildungsminister, der sich bisher immer für eine Koalitionsaussage zugunsten der CDU ausgesprochen hatte, will sich nun nicht mehr festlegen. Die Partei werde darüber Anfang nächsten Jahres entscheiden. Die Lockerungsübungen zwischen SPD und FDP nehmen weiter Gestalt an. Nur über einen Punkt ließ Möllemann die Journalisten nicht im unklaren: „Es wird nicht geampelt und nicht gehampelt.“ Rot -grün-gelbe Verbindungen, über die in einigen kleineren Gemeinden gemunkelt wird, soll es nicht geben.
Dagegen ist mit neuen rot-grünen Bündnissen zu rechnen. Neben Aachen (siehe Artikel unten) besteht rechnerisch auch in Krefeld die Chance für einen rot-grünen Wechsel. Da, wo solche Verbindungen bisher existierten, erlitten die beteiligten Parteien dagegen fast ohne Ausnahme Verluste. In Düsseldorf, Leverkusen und Bielefeld ging sogar die Ratsmehrheit verloren. In Raus Heimatstadt Wuppertal könnten die bisherigen Partner trotz leichter Verluste das Bündnis erneuern.
Sprecher der Grünen betonten am Montag, nun „mehr als bisher das eigenständige ökologische und soziale Profil“ der Partei aufzeigen zu wollen. Der leichte Zugewinn der Grünen um 0,2 auf 8,3 Prozent beruht offenbar weniger auf tatsächlichem Stimmengewinn denn auf einer neuen Zählweise.
Bei der letzten Kommunalwahl waren grüne Listenverbindungen nicht immer der grünen Partei zugeschlagen worden. Schaut man sich die einzelnen Ergebnisse an, dann zeigt sich, daß die Grünen bis auf einige wenige Ausnahmen im Ruhr gebiet fast durchweg zwischen 0,3 und 2 Prozent verloren haben.
Für einige Überraschung sorgte erneut die DKP. In Bottrop gelang ein Zuwachs um 0,7 auf jetzt 9,2 Prozent. Während auch in Gladbeck erneut eine kommunistische Fraktion den Einzug ins Rathaus mit 8 Prozent (1984: 6,7) schaffte, flog die Partei ausgerechnet in der einst heiß umkämpften Stahlstadt Hattingen aus dem Rat raus.
Anstelle der DKP schaffte es die FDP, die seit 1984 in keiner Ruhrgebietsstadt mehr vertreten war. Auch in Essen, Oberhausen und Mülheim gelang den Liberalen das Comeback. Zur Freude von Johannes Rau. Der hatte schon am Wahlabend den Wiederaufstieg des möglichen künftigen Bündnispartners öffentlich begrüßt.
Walter Jakobs
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