piwik no script img

Wer frißt den Regenwald?

■ Publizistischer Amoklauf eines Buletten-Multis zum „Tag des Tropischen Regenwaldes“

Alt und berühmt ist die Geschichte von dem Schlachtermeister, der angeklagt war, mit einer seiner Buletten eine Fleischvergiftung verursacht zu haben, und freigesprochen wurde, weil er vor Gericht nachweisen konnte, daß seine Buletten nicht das geringste Partikelchen Fleisch enthielten. Für McDonald's trifft solches nicht zu. Ein unter großem körperlichen Einsatz vorgenommener Feldversuch anhand eines „Big Mac“ brachte ans Licht: Fleisch ist drin!

Wer aber gibt uns das Fleisch? Antwort: Das liebe Vieh. Und was frißt das liebe Vieh? Gras! Und wo wächst Gras? Vornehmlich da, wo zuvor immense tropische Regenwälder ihr bedrohtes Dasein fristeten! Grund genug, für den Fleischklopsgiganten, zum heutigen Welternährungstag, der in diesem Jahr unter dem Motto „Tag des Tropischen Regenwaldes“ steht, den beharrlichen Kampf gegen sein Image als Tropenwaldvernichter fortzuführen. „Weder in der Vergangenheit und Gegenwart noch in der Zukunft hat und wird McDonald's in seinen Restaurants die Verwendung von Rindfleisch aus Regenwaldgebieten oder kürzlich gerodeten Regenwäldern zulassen“, formuliert die PR-Abteilung des Fast -Food-Imperiums in apodiktischer und vollmundiger Manier. „Die Einhaltung dieser Verpflichtung durch die McDonald's -Lieferanten wird laufend kontrolliert.“

Man sieht sie förmlich vor sich, die Inspektoren mit dem großen „M“ auf der Brust, Rächer der entrechteten Regenwälder, wie sie hinter tropischen Bäumen lauern, in Kühlhäusern bibbern oder, in Kuhfelle gehüllt, auf den weiten Weiden Amazoniens umherschleichen, um schurkische Lieferanten zu entlarven. Der „Marktführer der Systemgastronomie“, ein Zorro modernster Prägung! Und die großen Viehherden, die sich in Mittelamerika dort tummeln, wo man einst das Rind vor lauter Bäumen nicht sehen konnte, tun das keineswegs dem Nahrungskreislauf zuliebe, sondern nur so zu ihrem Vergnügen.

Alles in bester Ordnung also mit der Ökologie, wäre da nicht noch ein kleiner Pferdefuß. Die Ernährungsketten der heutigen Welt verlaufen nämlich nicht mehr so einfach, wie es die Jünger des schnellen Styropors gern hätten. Das aufgeschlossene Rind der Postmoderne frißt nicht nur schnödes Gras, sondern zeitgeistige Futtermittel aller Art, vor allem aus Soja. Futtermittel aber wachsen nicht auf Bäumen, sie müssen produziert werden. Und wo können sie in großem Stil produziert werden? Da, wo vorher Bäume wuchsen! Poor McDonald's! Wie ist die Welt doch gemein.

Matti Lieske

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen