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Freimarkt: Schulterschluß mit Schuß

■ Bremens „Superquelle für Steuern“ feiert sich bei Schnaps und Kaffee

Freimarkt Innenansicht. Schon um 10 Uhr morgens herrschte gestern reges Treiben in Johnny Schulzes Cafe: Die SchaustellerInnen trafen sich zum Frühschoppen mit Behördenvertretern und Marktorganisatoren und wollten sich „mal richtig ausschnacken und ordentlich auf den Tisch hauen“. Innensenator Peter Sakuth himself hatte sich „viel Zeit genommen und extra viel Pa

pier mitgebracht“, um die möglichen Beschwerden der Budenbesitzer und Karussellbetreiber entgegenzunehmen.

Tariferhöhungen, die zunehmende Konkurrenz der Stadtfeste und historischen Märkte, das schlechte Wetter im allgemeinen und der Regen im besonderen wurde zwischen Kaffee und Schnaps und eifrigen Kellnern hin-und herdiskutiert. Und dennoch blieb es herzlich beim Schoppen. Kein Zweifel: Man kannte sich und trotz des allgemeinen Lamentierens („Der Freimarkt muß geschützt werden! „-„Bravo!“) genossen die Beteiligten ihr Miteinander (Peter Sakuth: „Ich hab noch immer keinen Schnaps“). Peinlichkeiten gingen da im allgemeinen Hallo unter: Anneliese Leinemann, stellvertretende Bürgerschaftspräsiden

tin, meldete sich zu Wort, „damit die anderen Frauen in der Bürgerschaft nicht böse sind, weil ich als einzige Frau hier nichts gesagt habe.“ Große Autobahnschilder zum Freimarkt wünschte sie sich deshalb für das nächste Jahr vom Innensenator und erntete stürmischen Beifall. Der angesprochene zückte darauf seine Brieftasche und hielt der engagierten Beschilderungskritikerin schweinslederne Leere unter die Nase. Was erntete er? Richtig: Große Lacher.

Ernste Anliegen konnten hier nicht besprochen werden. Die Besitzerin einer kleinen Textilbedruckerei fragte an, ob sie auch weiter eine Konzession für den Freimarkt bekomme, wenn sie ihren Betrieb über Sonnenkollektoren versorge. Ihr wachsen die Stromkosten langsam über den

Kopf. Eine vorsichtige Kalkulation der nötigen Investitionen hatte ergeben, daß sich die nötigen Umbaukosten durch den eingesparten Netzstrom nach zwei Jahren wieder amortisieren würden. Eine klare Antwort erhielt sie nicht.

Eng ist es für Schaustellerbetriebe auf dem Arbeitsmarkt. Die Jobs, die hier zu vergeben sind, locken niemanden mehr an. Scheiß auf die Romantik: „Wer arbeitet heute noch für 1000 Mark netto bei freier Kost und Logis?“ fragte sich „Torpedo“ Karl-Heinz. Die Knochenarbeit und die miese Arbeitszeit schrecken viele ab. Gut findet er deshalb, daß im Land Bremen für „arbeitswillige“ Ausländer kurzfristige Arbeitsgenehmigungen erstellt werden. „Die wollen wenigstens noch arbeiten.“ mad

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