: Private wollen Weserkraftwerk bauen
■ Bremer Stadtwerke fallen radikal um / Arbeitsgruppe des Aufsichtsrates einstimmig für Planungsauftrag
Das ständige Hin und Her um den Neubau des Weserkraftwerkes scheint zu Ende zu sein. Denn was die Bremer Stadtwerke bis gestern als unrentabel erklärten, für eine Unternehmensgruppe um die Machinenbau- und Turbinenfirma Voith ist das durchaus eine Investition wert. Am Donnerstag waren fünf Firmenvertreter bei Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte zu Gast, und spä
testens seitdem weiß die Senatorin: „Man kann alles gesund und tot rechnen.“
Der Art, wie die Firmen Voith, Mattern, KTR Kunststofftechnik und Wasserkraft Betriebs GmbH den Weserstrom gesundrechneten, konnten nun auch die Stadtwerke nichts mehr entgegensetzen. Nachdem eine Arbeitsgruppe, die die Aufsichtsratsentscheidungen vorbereitet, gestern
morgen die Vorschläge der Privaten zur Kenntnis genommen hatte, fiel eine einstimmige Entscheidung: Die Firmen sollen die bautechnische Planung des Wehres vornehmen. 300.000 bis 400.000 Mark wird der Senat am Dienstag bewilligen müssen. Die Vorentscheidung dafür ist gefallen, stimmten doch außer dem Senatsdirektor Umweltschutz, Jürgen Lüthge, auch der Beck
meyer-Vertreter Frank Haller und Staatsrat Andreas Fuchs in der Arbeitsgruppe für die Auftragsvergabe.
Und so rechnet die Firmengruppe die Investition: Voith geht von einer Gesamtinvestitionssumme von 84 Millionen Mark aus und ist damit bereits 12 Millionen billiger als die Stadtwerke in ihrer Kalkulation. 10 Millionen Mark davon sollen aus Eigenkapital aufgebracht, weitere 10 Millionen Mark über EG-Gelder finanziert werden. Jährlich soll das Kraftwerk 62 Millionen Kilowattstunden für die ebenfalls private Betreibergesellschaft produzieren. Und die wiederum verkauft den Strom für 13 Pfennig pro Kilowattstunde an die Stadtwerke Bremen. Die hatten bei eigenem Betrieb des Kraftwerkes eine Kalkulation von 18 Pfennig je KW/h zugrunde gelegt. Prozentual gerechnet sind die Privaten bei der Investion also um 14 Prozent, bei den Stromkosten sogar um 32 Prozent billiger als die Stadtwerke.
Das private Interesse für das Bremer Kraftwerk erklärten sich Lemke-Schulte und Lüthge gestern nachmittag unter anderem damit, daß ein Tidekraftwerk, wie es an der Weser gebaut werden muß, eine Seltenheit sei. Mit den technischen Weiterentwicklungen, die Voith in Bremen einbauen will, hofft die Firma auf Geschäfte auf dem internationalen Wasserkraftmarkt. Das Bremer Kraftwerk soll dafür Referenzbauwerk sein.
Trotz der günstigen Rechnung: Es bleibt ein rechnerisches Defizit von 3,7 Mio für die Stadtwerke. „Das aber muß eine Stadt wie Bremen für die Reduktion des CO2-Ausstoßes leisten“, so Lemke-Schulte. Immerhin werden durch ein neues Kraftwerk jährlich 50.000 Tonnen weniger ausgestoßen. Und falls die Bundesregierung durch neue gesetzliche Grundlagen den CO2-Ausstoß mit „Strafsteuern“ belegt, wird das Weserkraftwerk in der Kalkulation noch einmal günstiger. Bis Mai 1991 muß der Bau des Kraftwerkes begonnen werden, um das Bauwerk parallel zum neuen Wehr fertigzustellen. Ansonsten würde sich das Kraftwerk um 15 Millionen Mark verteuern.
Als „völlig falsch“ bezeichnete Lemke-Schulte gestern die Argumentation der Stadtwerke, die den Fernwärmeausbau und den Bau des Weserkraftwerkes alternativ gegeneinander gestellt hatten. „Warum rechnet man das dagegen, nicht plus?“ lautet die senatorische Frage. In der Sitzung der Arbeitsgruppe des Aufsichtsrates gab es gestern erste Anzeichen, daß das Gremium die Gedanken der Senatorin teilt. Neben der Zustimmung zu dem privaten Weserstromkonzept wurden sechs weitere Maßnahmen beschlossen, so z.B. der Einstieg in den Fernwärmeausbau im Bremer Westen und die Einführung linearer Tarife. Meinte Lüthge: „Die öffentliche Diskussion um die Energiepolitik hat richtig Leben in die Bude gebracht.“
hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen