: Lebenslang wegen Meineid
Die „Guildford Four“ wurden verurteilt, weil fünf britische Polizeibeamte Verhörnotizen gefälscht hatten / Auf die polizeiliche folgt nun die richterliche Untersuchung des Falles ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Die „Guildford Four“ saßen fast 15 Jahre unschuldig im Gefängnis, weil Polizeibeamte in Surrey die Verhörnotizen gefälscht hatten. Das entschied am Donnerstag abend der höchste englische Richter, Lordrichter Lane, vor dem Old Bailey in London.
Die vier Iren - drei Männer und eine Frau - waren 1975 zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden, weil sie angeblich zwei Anschläge verübt hätten, bei denen insgesamt sieben Menschen ums Leben kamen.
Die Urteile stützten sich einzig auf die Geständnisse der „Vier“, die sie in Polizeigewahrsam abgelegt hatten, vor Gericht dann jedoch widerriefen.
Eine polizeiinterne Untersuchung ergab vor kurzem, daß mindestens fünf britische Polizisten aus Surrey die Verhörnotizen - das einzige Beweismittel - gefälscht und unter Eid gelogen hatten.
Gegen die Beamten wurde gestern ein Strafverfahren eingeleitet, außerdem begann auf Anordnung des britischen Innenministers Douglas Hurd eine richterliche Untersuchung des Falles.
Gerard Conlon, Carole Richardson, Paddy Armstrong und Paul Hill - die „Guildford Four“ - wurden nach der Aufhebung des Urteils freigelassen. Für Hill währte die Freiheit jedoch nicht lange. Er wurde am Gerichtsausgang festgenommen und nach Belfast gebracht, wo er gestern vor ein Berufungsgericht gestellt wurde. Hill hatte 1975 auch seine Beteiligung an einem Soldatenmord in Belfast „gestanden“. Die Polizisten, die ihn damals in Nordirland verhörten, waren die jetzt suspendierten Beamten aus Surrey.
Die Aufhebung der Fehlurteile gegen die „Guildford Four“ hat die Rufe nach Wiedereinführung der Todesstrafe in Großbritannien vorerst zum Verstummen gebracht.
Innenminister Hurd hat jedoch eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die „Birmingham Six“ abgelehnt, die für zwei Bombenanschläge im Jahr 1974 ebenfalls aufgrund angeblicher Geständnisse in Polizeigewahrsam zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt worden waren.
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