„Rücken Sie vor auf die Sportseite“

Der taz-Rundgang durch die Essener Messe „Spiel '89“: Ein Gesellschaftsspiel ganz besonderer Art / Moderator und Animateur: Peter Huth  ■ I.

Haben Sie Interesse, eine Messe besonderer Art zu zelebrieren? Ich verstehe, daß Sie als taz -WirtschaftsseitenleserIn anderes gewohnt sind. Bedenken Sie, daß immerhin der Wirtschaftsrätselautor Peter Huth diesen Artikel verfaßt hat. Bei „ja“ zur Messe besonderer Art gehen Sie zu Absatz X, wenn „nein“, gehen Sie zu Absatz XIV. II.

Für das zum Renner prädestinierte Kommunikationsspiel „Life Style“ von Ravensburg, aufwendig produziert mit 350 Fotos, dürfen Sie 80 DM berappen. Im Vergleich ist das noch billig, wenn Sie sehen, das Franckh, neuerdings in ULLsteins/Springers Händen, für das gute Taktikspiel „Delfino“ von Hajo Bücken mit seinen 25 Kärtchen 59 DM verlangt. Dagegen sind die im Material hervorragend produzierten HABA-Spiel mit 40-50 DM preiswert. Leider scheint sich nicht nur bei den großen Verlagen der Hang zum aufwendigen Produkt durchzusetzen, das in keinem Verhältnis mehr zur angebotenen Spielidee steht. Irritiert gehen Sie weiter (Absatz VIII) III.

In den Messehallen finden in der Zeit vom 19. Bis 22.Oktober die Internationalen Spieletage „Spiel'89“ statt. Sie sind eineR von 70.000 BesucherInnen auf der größten Publikumsmesse für Spiele in Europa. Sie sind begeisterteR SpielerIn und setzen sich sofort an einen Spieltisch (Absatz XV). Die Fülle des dargebotenen Materials überwältigt Sie. Sie beschließen, erst einmal einen Rundgang zu machen (Absatz XI). IV.

PBM heißt ausgeschrieben „play by mail“ oder schlicht Postspiele. Ihre Spielepartner sitzen überall im Lande verteilt und spielen per Post. Das geht so: Sie kaufen für gutes Geld die Spielregeln. Meist handelt es sich um politische Strategie- oder Phantasiespiele. Sie senden ihre Spielzüge bis zu einem festen Abgabetermin an einen zentralen Spielleiter, der alle eingesandten Spielzüge auswertet und Ihnen die neue Situation für den nächsten Zug mitteilt. Auf dieser Spielemesse können Sie sich an den 20 Ständen lediglich über das Angebot informieren und für ein Spiel eintragen und zahlen natürlich. Frustriert ziehen Sie weiter (Absatz XIII). V.

Sie haben völlig recht. Es gehört sich nicht zu lauschen. Essen Sie ruhig weiter, daß nichts kalt wird. Sie haben lediglich etwas Messetratsch versäumt. (Absatz XIII) VI.

In dem Artikel steht, daß die Jury „Spiel des Jahres“ von den Spieleverlagen Linzensgelder verlangt, sollten sie für die von der Jury prämierten Spiele mit den Label „Spiel des Jahres“ werben. Da diese Auszeichnung den Verkauf der Spiele enorm in die Höhe schnellen läßt, haben viele Verlage zähneknirschend akzeptiert. Für 1989 rechne man mit Einnahmen von rund 100.000 DM. Kopfschüttelnd über eine derartige Praxis gehen Sie weiter (Absatz XV) VII.

Eine U-Bahn sollte Ihnen nicht unbekannt sein. Die Linie 11 bringt Sie direkt zum Hauptbahnhof. Dort wartet Ihr Zug, der Sie nach Hause bringt. (Weiter Absatz XIV). VIII.

Sie begeben sich zu einem Messe-Grill, kaufen für viel Geld Pommes und genehmigen sich ein Fastfood-Pils, gezapft in 7 Sekunden statt 7 Minuten. Am Nachbartisch unterhalten sich zwei Herren intensiv und laut. Das interessiert Sie (Absatz IX). Sie lauschen nicht an Nachbartischen (Absatz V). IX.

Die beiden Herren unterhalten sich über die Vergabe des Kritikerpreises „Spiel des Jahres“. „Du weißt doch selbst, wie die Preise zustande kommen. Im letzten Jahr war es 'Barbarossa‘, die ASS-AG hatte ökonomische Schwierigkeiten. Die Spiele der Bestenliste fein säuberlich auf die großen Verlage verteilt. Und dieses Jahr: Mattel hat angekündigt, sie steigen aus dem Geschäft aus, wenn sie nicht auch mal einen Preis bekommen. Außerdem, der Rudi Hoffmann hatte schon immer mal einen Preis verdient.“ Das Essen ist kalt, das Bier schmeckt schal, aber um welches Spiel es sich handelt, haben Sie zu ihrem Ärger nicht mitbekommen. Sie fragen die beiden Herren (Absatz XII). So unverfroren sind sie doch nicht. Sie machen sich auf den Weg, um das „Spiel des Jahres“ zu suchen und zu spielen (Absatz XIII). X.

Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem mutigen Schritt. Sie befinden sich in Essen, an der U-Bahnstation Messegelände. Sie haben drei Möglichkeiten: In der Grugahalle findet ein Tenniseinladungsturnier mit Lendl und Noah statt. (Absatz XVI). Sie betreten das Messegelände (Absatz III). Sie Betreten die U-Bahn Linie 11 (Absatz VII). XI.

Ich hoffe, Sie haben gutes Schuhwerk dabei. Es gilt 30.000 Quadratmeter zu durchwandern. 328 Aussteller - hundert mehr als im letzten Jahr - überraschen Sie mit über 200 neuen Spielen. Sie begreifen nun, daß die Bundesbürger im letzten Jahr 480 Millionen Mark für Spiele ausgegeben haben und damit diese Umsatzgruppe die Spitzenposition im gesamten Spielwarenmarkt mit seinem Volumen von 3,7 Milliarden übernommen hat. 1987 war es bei den Spielen in etwa die gleiche Summe. Und in diesem Jahr werden es ebenfalls nicht mehr sein. Der Spiele-Markt stagniert. Keineswegs, sagen die Strategen. Durch den harten Preiskampf im Handel - die Kaufhausketten und Großmärkte versuchen den Fachhandel zu verdrängen - seien die Spiele preiswerter geworden. Das freut natürlich die VerbraucherInnen. Allerdings, als Sie sich die Preise für einige Spiele anschauen, stockt Ihnen doch der Atem (Absatz II). Sie wollen sich Ihre gute Laune nicht verderben und schlendern weiter. Sie entdecken neben den großen wie Ravensburg, F.X. Schmid, Hexagames, zahlreiche kleine Produzenten. Allein für das neu Modespiel, dem indischen Brettspiel Carrom (Poolbilliard mit Scheiben und Fingern), gibt es mindestens sechs verschiedene Anbieter. Sie hören, daß als neuer Trend PBM-Spiele ausgemacht sind. PBM? Sie sind neugierig und suchen die PBM -Ecke (Absatz IV). Sie sind vom Herumspazieren müde geworden und beschließen, etwas zu essen (Absatz VIII). XII.

„Entschuldigen Sie, ich habe Ihrer Unterhaltung zufällig beigewohnt.“ Die beiden Herren schauen Sie etwas indigniert an. „Könnten Sie mir vielleicht sagen, wo...“ Noch bevor Sie ausreden können, haben die beiden den Tisch gewechselt und Ihnen beim Aufstehen eine Cola über die Hose gegossen. Sie machen sich mit nasser Hose und ohne weitere Hinweise auf den Weg (Absatz XIII). XIII.

Auf Ihrer Suche landen Sie am dem von Pressefritzen umlagerten Stand des Messeveranstalters „Friedhelm Merz Verlag“, der auch Herausgeber der soliden Spielezeitschrift „Pöppel-Revue“ ist. Während Sie um Auskunft anstehen, blättern Sie in den dort ausgelegten Spielezeitschriften. Sie haben gerade einen spannenden Artikel entdeckt, als Sie von einer freundlichen Stimme um Ihre Wünsche gebeten werden. Der Artikel ist so spannend, daß Sie nicht reagieren (Absatz VI). Sie erklären der Dame, daß Sie das Spiel des Jahres suchen (Absatz XV) XIV.

Sie sind nicht experimentierfreudig. Ich halte es für fragwürdig, ob Sie überhaupt weiterhin die taz lesen sollten, denn diese innovativste Zeitung auf dem Pressemarkt braucht mutige LeserInnen. XV.

Sie spielen das Spiel des Jahres „Cafe International“ von Rudi Hoffmann. Es gilt, Nationenstammtische mit Besucherpärchen der entsprechenden Nationen zu besetzen. Um jeden Tisch stehen vier Stühle, wobei ein oder zwei Stühle auch für den Nachbartisch genutzt werden können. Für jeden besetzten Stuhl gibt es Punkte. Sollte ein Besucher keinen regelgerechten Platz finden, muß er an der Bar Platz nehmen, was Punkte kostet. Sie ziehen am Anfang aus einem Scrabblesäckchen fünf Besucherkärtchen, sortieren a la Domino und ergänzen die Karten, wenn Sie für Ihre Besucher Platz gefunden haben. Ist die Kneipe voll oder das Säckchen leer, ist das Spiel beendet. Sie sind so begeistert von diesem Spiel, daß Sie nicht mehr aufhören wollen zu spielen und diesen Artikel beenden. Haben Sie jetzt das Gefühl, nicht alles gelesen zu haben, fangen Sie doch einfach von vorne an. XVI.

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