piwik no script img

Sibiriens Kumpel erneut im Streik Frühere Zusagen endlich erfüllen

Moskau (ap/afp)-Ein ungesetzlicher Streik sowjetischer Bergarbeiter hat sich gestern auf neun der 13 Kohlegruben des Gebietes Workuta am Polarkreis ausgeweitet und verschärft. Ein Sprecher des Streikkomitees, Anatoli Litwinenko, teilte mit, die Streikenden forderten die Erfüllung alter Zusagen und weitreichende politische Reformen, darunter die Streichung des Führungsanspruchs der KPdSU aus der Verfassung. Außerdem verlangten sie die Trennung der Ämter von Staats- und Parteichef.

Erst in diesem Monat war ein Gesetz vom Obersten Sowjet verabschiedet worden, wonach Streiks in lebenswichtigen Industriezweigen wie Energieversorgung, Verteidigung und Verkehr verboten sind. Die Streikenden fordern die Erfüllung der Zusagen, die ihnen von der Regierung während der Streikwelle vom Sommer gemacht wurden. Ihre politischen Forderungen sollen im Kongreß der Volksdeputierten und im Obersten Sowjet erörtert werden. Streikleiter Walentin Kopasow sagte, die Bergarbeiter forderten auch die Veröffentlichung eines Aufrufs zur Solidarität und zur Verurteilung des neuen Streikgesetzes. Das neue Streikgesetz solle den Arbeitern das Streikrecht nehmen und sie vom Demokratisierungsprozeß ausschließen. Litwinenko erklärte, die politischen Forderungen seien nicht gegen Staats- und Parteichef Michail Gorbatchow gerichtet. Angestrebt würden künftige Verfassungsänderungen.

Der Chef des Streikkomitees der Bergarbeiter im Donez -Becken, Alexander Boldyrow, hat die Grubenleitung für den Tod des Streikkomiteemitgliedes Alexander Sotnikow verantwortlich gemacht, der am 18. Oktober ermordet worden war. Sotnikow hatte den Einsatz von Bergarbeitern beim Bau von Privathäusern ihrer Vorgesetzten kritisiert und hatte deswegen mehrfach Morddrohungen erhalten. In einer Botschaft an Gorbatschow erklärten die Kumpel, Sotnikow sei von Gegnern der Perestroika ermordet worden, und verlangten die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen