: Debatte zum Celler Loch CDU verteidigt Verfassungsschutzaktion
■ Albrecht gab Falschunterrichtung der Abgeordneten zu / Rücktrittsantrag der Grünen abgelehnt
Hannover (taz) - Der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht hat am Mittwoch in der Landtagsdebatte über den Untersuchungsbericht zum Celler Loch zugegeben, daß er den Landtag nach Bekanntwerden des Celler Verfassungsschutzanschlages falsch unterrichtet hat. Albrecht wies jedoch den Vorwurf einer bewußten Lüge vor dem Landtag zurück.
Die Regierungserklärung, in der Albrecht 1986 zahlreiche auf das Celler Loch zurückgehende angebliche Erfolge aufzählte, habe sich auf einen Bericht eines damals bereits verstorbenen Verfassungsschützers gestützt, sagte der Ministerpräsident. Ob dieser Verfassungsschützer seinerseits richtig berichtet habe, wolle er „dahingestellt lassen“. Die Behauptung, daß er „wissentlich“ vor dem Landtag die Unwahrheit gesagt habe, sei jedenfalls „schon eine Verleumdung“. Seine falschen Angaben vor dem Landtag führte Albrecht auch darauf zurück, daß er die Sprengung an der Celler Gefängnismauer zwar persönlich genehmigt, aber die weiteren Einzelheiten der Verfassungsschutzoperation „nicht Punkt für Punkt geprüft“ habe.
Albrecht bezeichnete es als wichtiges Ergebnis des Untersuchungsausschusses zum Celler Loch, daß mit der Sprengung im Jahre 1978 nicht gegen geltendes Recht verstoßen worden sei. Demgegenüber wies der SPD -Fraktionsvorsitzende Gerhard Schröder darauf hin, daß nach Bekanntwerden des Verfassungsschutzanschlages mehrere Strafanzeigen nur deswegen ergebnislos blieben, weil „eine Reihe von Tatbeständen schon verjährt waren und nicht mehr geprüft werden konnten“. Wenn Albrecht objektiv unwahre Angaben vor dem Landtag mit falschen Informationen durch seine Beamten entschuldige, so nehme „das Verfassungsprinzip der Ministerverantwortlichkeit schweren Schaden“, sagte der SPD-Politiker.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag bezeichnete das Celler Loch als „nur ein Beispiel für die kalte putschistische Politik“ des Ministerpräsidenten. Unter der Verantwortung von Albrecht sei damals versucht worden, künstlich eine Bedrohungssituation zu erzeugen. Die im Zusammenhang mit dem Celler Loch eingesetzten V-Leute hätten Dritte zu Anschlägen und zur Bildung einer „terroristischen Vereinigung“ anzustiften versucht. Mit Hilfe eines produzierten Notstands habe man versucht, die eigene repressive Politikkonzeption umzusetzen. Der grüne Abgeordnete erinnerte daran, daß Albrecht im Jahr des Celler Lochs im Bundesrat die Einführung der Sicherungsverwahrung für politisch motivierte Straftäter schon bei ihrer Erstverurteilung verlangte.
Nach der Debatte lehnte die Landtagsmehrheit erwartungsgemäß den Rücktrittsantrag der Grünen mit 79 zu 75 Stimmen ab. Sowohl der Landtagsabgeordnete Kurt Vajen, der sich nach eigenen Angaben weiterhin um einen Listenplatz bei den „Republikanern“ bemüht, als auch der bei der SPD ausgetretene Abgeordnete Oswald Hoch stimmten gegen Albrechts Rücktritt.
Jürgen Voges
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen