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Soldatenurteil erregt Bonner Gemüter

■ Freispruch für „Soldaten sind potentielle Mörder“ war Thema im Bundestag / Kohl und Dregger entsetzt / Kanzler will Ehrenschutz für Soldaten

Bonn/Berlin (taz) - Die Bundeswehrfans schießen aus allen Rohren. Das neue Feindbild: Das Frankfurter Landgericht, das auch in zweiter Instanz die Äußerung, alle „Soldaten sind potentielle Mörder“, ungestraft ließ.

„Dieses Fehlurteil erinnert an Urteile, die damals zum Untergang der Weimarer Republik beigetragen haben.“ So kommentierte gestern im Bundestag der CDU/CSU -Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger. Damit sagte Dregger sinngemäß dasselbe wie der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler vor einigen Jahren: „Der Pazifismus hat Auschwitz erst möglich gemacht.“ Den „Friedensauftrag der Bundeswehr“ sollten die Abgeordneten in der von der CDU/CSU -Fraktion beantragten aktuellen Stunde diskutieren. Gestritten wurde allerdings hauptsächlich über den Frankfurter Freispruch. Die schärfsten Töne gegen das Urteil kamen zwar von den Unionsabgeordneten. Verurteilt wurde der Richterspruch aber auch von Rednern der SPD und der FDP. Otto Graf Lambsdorff etwa gedachte der Kinder, Väter und Mütter aller Soldaten, bedauerte, daß die Würde dieser Männer zutiefst mißachtet worden sei. Auch er, so der Graf, fühle sich an die Weimarer Zeit erinnert.

Der SPD-Abgeordnete Horn mahnte eine politische und nicht juristische Auseinandersetzung nach diesem zu Recht kritisierten Urteil an. Freimut Duve, ebenfalls SPD, rief dazu auf, die Richter gegen die diffamierende Schelte in Schutz zu nehmen. Begrüßt wurde das Urteil lediglich von den Grünen: Es stelle die Meinungsfreiheit in diesem Fall zu Recht über eine Beleidigung, kommentierte Wilhelm Knabe. Wer so etwas wie diesen Vorfall nicht mehr wolle, müsse die militärische Verteidigung insgesamt in Frage stellen.

Bereits gestern Vormittag forderte Kanzler Kohl alle in der Bundesrepublik Verantwortlichen auf, ohne Wenn und Aber zur Bundeswehr und ihren Soldaten zu stehen. Auf der Bonner Hauptversammlung des Bundeswehr-Verbandes warf er seine persönliche Ehre in die Waagschale. Er versprach: „Die Bundesregierung - und das gilt auch für mich persönlich wird alles tun, um den Ehrenschutz unserer Soldaten wirksam zu gewährleisten.“ Nach dem Verteidigungsminister, dem Justizminister und den Bundeswehr-Verbänden reiht sich nun auch Kohl in Schlachtreihe derer ein, die in dem Soldaten -Urteil einen Skandal und eine ganz unpatriotische Rechtsbeugung wittern. Er war „entsetzt“ und beteuerte: „Wir können und dürfen nicht hinnehmen, daß unsere Soldaten mit Schwerverbrechern auf eine Stufe gestellt werden.“ Hinter Kohl steht auch das ganze Bundeskabinett. Der grüne Bundestagsabgeordnete Alfred Mechtersheimer, der das Urteil vor der Versammlung rechtfertigen wollte, wurde von den 400 Delegierten des Bundeswehr-Verbandes ausgebuht. Die Bundeswehr steigt unterdessen auf die Barrikaden. „Verfassungsrechtlich unerträglich“, reklamierte Generalinspekteur Wellershof und rief nach dem Gesetzgeber. Der müsse entsprechende Maßnahmen ergreifen, wenn das Urteil nicht revidiert werden sollte. Der Vorsitzende des Bonner Verteidigungsausschusses, Alfred Biehle (CSU), verlangte, „daß Ehre und Menschenwürde unserer Soldaten schnellstens wiederhergestellt wird“. Ein Revisionsantrag ist bereits angekündigt, Staatsanwaltschaft und Bundeswehrvertreter wollen den liberalen Urteilsspruch, der das Recht auf Meinungsfreiheit über die Soldatenehre gestellt hat, so schnell wie möglich vom Tisch haben.

Mit Ausnahme der Grünen hatten bereits am Mittwoch alle Fraktionen im Verteidigungsausschuß scharfe Kritik am Fankfurter Urteil geübt. Auch FDP-Fraktionschef Mischnick betrieb Urteilsschelte. Das Frankfurter Gericht sei mit seiner Diffamierung der Soldaten weit über das Recht der freien Meinungsäußerung hinausgeschossen.

Das Präsidium des Frankfurter Landgerichts hat unterdessen die 29. Strafkammer in Schutz genommen. Aus dem Urteil der Richter, die den Freispruch verfügt hatten, könne niemand die Berechtigiung ableiten, daß künftig allgemein alle Soldaten als Mörder tituliert werden dürften. Schutz für richterliche Unabhängigkeit forderten auch die Humanistische Union, die Richter und Staatsanwälte in der ÖTV und der republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein.

F.Forudastan/W. Gast

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