: Schwarze Kunst
Was hier so frappante Ähnlichkeit mit einem Eierkarton aufweist, ist in Wirklichkeit die 300fache Vergrößerung der Rasterpunkte einer Autotypie für den Hochdruck.
Schmale Textspalten sind gerade bei Tageszeitungen die Regel. Im Setzerjargon gibt es dafür eine ganze Reihe Umschreibungen. Riemen ist eine gängige Bezeichnung, wenn auch gewissermaßen übertrieben. Handtuch mag da schon besser passen. („Das Handtuch schmeißen“ sollte man in diesem Fall natürlich nicht.) Da die Setzer schon vor der Erfindung der Setzerbemerkung eine Neigung zu naturalistischen Betrachtungen hatten, nannten sie solche Spalten auch Langer Wurm oder Lange Würste.
Eine Hose ist nicht nur ein Schneidererzeugnis, sondern auch der Name besonders schmaler Zeilen, die zum Beispiel neben Illustrationen oder in Tabellen zu finden sind.
Da wir gerade bei Textilien sind, seien auch die Leintücher erwähnt, wie im vorigen Jahrhundert die Drucker besonders große Zeitungsformate nannten. Die taz hält in dieser Hinsicht eher bescheidenes Mittelmaß (wie so oft... d.L.).
Wer so häufig mit Buchstaben umgehen muß wie die Setzer und Drucker, zählt selbstverständlich das Alphabet zu seinen Fachbegriffen. Ein Alphabet ist aber auch ein Buch mit 23 Bogen bedruckten Papiers. Auf jedem Bogen bringt man einen Buchstaben an, so weiß der Buchbinder, wie die Reihenfolge zu sein hat. Daß man das Alphabet kleiner macht, als es ist
-statt 26 Buchstaben - ist eine Vorsichtsmaßnahme: I, V und W werden wegen der Verwechslungsgefahr nicht verwendet.
Auch ein Buch ist nicht nur das, was man im allgemeinen darunter versteht. So nennt man auch eine Lage von 25 Bogen Druckpapier. Gelegentlich gab es Streit mit den Papierhändlern, die nur 24 Bogen als ein Buch zählten.
Auge heißt die erhabene Bildfläche eines Buchstabens oder das vertiefte Zeichenbild einer Mater, von der der Schriftguß erfolgt.
Kommt Pulver in die Augen, ist das unangenehm. Ähnlich wirkt ein Text, den der Setzer aus sehr kleinen Schriften (z.B. Diamant 4 Punkt 1 1/2 mm) gestalten muß. Dann wird geklagt, die Lettern wären kaum größer als Pulverkörner - wer solle denn solches Augenpulver lesen können.
Rief der Setzer aus, er habe lauter Anekdota auf dem Tisch, konnte er sicher sein, nicht um seine Arbeit beneidet zu werden. Derart teilte er mit, daß er altes, für ihn inzwischen längst nicht mehr interessantes Zeug zu setzen habe. Jeder seiner Handwerksgenossen wußte, daß Anekdota die Bezeichnung für die Frühdrucke alter Handschriftenmanuskripte ist, aber das tat der Sache keinen Abbruch - der bedauernswerte Kollege hatte eben etwas schon seit Gutenberg Bekanntes zu machen.
Eine Kelle ist ein Gerät zum Schöpfen. Ob es im konkreten Fall um die Suppe aus dem Topf oder den Mörtel aus dem Maurertrog geht, wird durch ein vorangestelltes Wort spezifiziert, also durch Suppenkelle oder Maurerkelle. Der Setzer, der seinen Winkelhaken schlicht als Kelle bezeichnet, weiß wohl, daß jeder Zusatz sein schöpferisches Genie ad absurdum führen würde.
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