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DON'T FORSAKE ME...

■ ...you're my darlin‘: B.I.D. gegen den Rest der Welt

Go for Gold - Brian Carter ruft, und Wolfgang Doebeling lädt ein: Berlin Independence Days 1989. Ein Jahr Schmäh&Schmach ganz locker am Straßenrand liegengelassen, und schon geht es wieder los: Drei Tage, vier Nächte, 70 Bands. Showcases en masse und Conferences ebenso. Ziel: Informationsaustausch, Kontakte herstellen, Deals abklären.

„Klassentreffen“, „Totgeburt“ - harsche Kritik hatte BID -Organisator Doebeling im vergangenen Jahr einstecken müssen, als er 500.000 Mark für die Premiere verballerte, Kritik sowohl an den organisatorischen Fährnissen, denen man nicht so recht auszuweichen wußte, wie auch am Musikprogramm (das an sich nur als Begleitprogramm neben der Messe läuft): Dance und Metal, die - finanziell gesehen - als Major Indie Acts gelten, seien unter der Peitsche des alten Cowboys Doebeling elendig krepiert, das heißt ignoriert worden, so die Bösezungenfraktion (Doebeling pflegt als Chef des Exile -Labels vornehmlich campfire-music).

Natürlich stritten sich die versammelten Indies im vergangenen Jahr auch über ihr liebstes Thema: Wer ist warum, wieso und überhaupt dazu befugt, als Indie Kohle zu machen? Major-Indies (BCM, Rough Trade, SPV) versus Prolo -Indies versus Gott&die Welt. Nun, man fand zusammen und schwor das große Indianerehrenwort, von wegen Marmor, Stein und Eisen bricht: Rough Trade, SPV, BCM, IMS, Efa, Zensor, Pläne wollten in Zukunft (das heißt jetzt) gemeinsam als „Magnificant Seven“ den Kampf gegen die Media-Charts angehen - das Umfragesystem dieser Charts läßt die Indies nur unter erschwerten Bedingungen unter den ersten Hundert auftauchen, was dazu führt, daß die Radio-DJs in ihren Chart-Pools vor allem Majors finden und diese per Airplay promoten, während die Indies leer ausgehen. Hehres Ziel, schnelles Ende: Von den Magnificant Seven ist als alleiniger Erbe Magnificant -Zensor übriggeblieben, der Rest ist zerstritten und verstreut.

Go for Gold, Version 1989: „Weniger als die Hälfte“ gibt es in diesem Jahr vom Senat für die BID, so Doebeling. Das Problem: Die BID darf nur von einem Senatsfinanzier gesponsort werden - dieses Jahr hat der Wirtschaftssenator zugeschlagen, Geld des Kultursenats darf Doebeling so nicht in Anspruch nehmen. „Das muß sich ändern, sonst sehe ich für die nächsten Jahre schwarz“, kritisiert Doebeling das Berliner Subventions-Splitting. Sein Wunsch: Der Wirtschaftssenator finanziert den Kongreß, der Kultursenator das Rahmenprogramm - genauso wie es beim New Yorker „New Music Seminar“, dem BID-Vorbild, praktiziert wird. Trotzdem/deswegen: „Es läuft nichts ideal, aber alles optimal“ (Doebeling).

In 24 Seminaren (doppelt so viel wie im vergangenen Jahr) diskutieren Promoter, Journalisten und Manager unter anderem über College Radios in den USA, über Rock und Roll in Holland und über Weltmusik überall. Auch ein Seminar über die deutschen Media-Charts steht auf dem Programm. Der Sonntag war, der Montag ist den Profis vorbehalten, morgen steht die Kongreßhalle auch den Amateurkonsumenten zur Verfügung. Ab elf Uhr gibt es eine Einführung für fortgeschrittene Ethnologen und zurückgebliebene David Byrnes: „World Music for the World“, analysiert und seziert von Theurer/Präkelt (SFB) und Lawrence (Cooking Vinyl). Zur gleichen Zeit: „The West German Press and Zine Scene“. Ab 13 Uhr: Heise/Lehnert (SFB), Hagen (RB 4) und Gülden (Radio OK): „Radio in Germany“. Gute Unterhaltung! High noon dann um 18 Uhr: „Indies vs. Majors“. Brian Carter zieht als erster, im Staube sich wälzend: Linde (CBS), Thielen (Rough Trade), Math'e (New Rose) and many more!

Showcases. Auch hier: Nichts ideal, alles optimal. Weniger bekannte Acts als im Vorjahr, dafür alle Himmels- und Stilrichtungen berücksichtigt („Irgendeiner schreit immer, wahrscheinlich fehlen jetzt die Country- und Westerngruppen“ - Doebeling). Heute abend im Metropol, fünf Sterne: Memphis Soul Night. Loft: altbekannte deutsche Haudegen Strangemen, Die Goldenen Zitronen, KMFDM, PVC und Rausch. Der absolute Nix-wie-hin-Gig morgen im Metropol: Chris Spedding, die Lolitas, Elliot Murphy&The Enemy Within: Massenmördermusik.

Thomas Langhoff

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