Bremer Meldesystem rechtswidrig

■ Innensenator gesteht Pleite ein: Umstellung des Meldewesens auf EDV „drohte sich totzulaufen“

Mit bemerkenswerter Offenheit und in Form einer Flucht nach vorn informierte Innensenator Peter Sakuth auf der letzten Sitzung seine Innen-Deputierten über das Vor-sich-Hinsterben und die Versuche der Wiederbelebung eines ehrgeizigen und kostspieligen Verwaltungsprojektes: der „Neuorganisation des Bremer Einwohner-Meldewesens“ DEMOS ('Dezentrales Einwohner-Melde-Online-System‘). Nach Karteikarten und Hängeordnern ist das bisherige System „Esad“ nicht nur überholt, sondern nahezu unbrauchbar - und datenschutzrechtlich unzulässig. Seit 1984 versucht eine stets wechselnde Projektgruppe, ein neues System zu finden, das die Verwaltung von Pässen, Lohnsteuerkarten, Wahlunterlagen und des Meldewesens zur Polizeikontrolle in den einzelnen Meldestellen „online“, also für den direkten Zugriff, organisiert.

Das Projekt, neben erheb

lichen bremischen Mitteln mit 1,8 Millionen aus Bonn finanziert, von denenn 1,2 Mio. bereits verbraten sind, stand mehrfach am Rande des Scheiterns. Aus der internen Deputationsvorlage: Zu wenig, zu schlecht ausgebildetes (und für die EDV-Branche zu lächerlich bezahltes, d. Red.) Personal konnte die Aufgaben nicht leisten. Gleich reihenweise nutzte besonders die Projektspitze den Job als Karrieresprungbrett. Inzwischen ist der fünfte Projektleiter dabei, sich einzuarbeiten. Die Ausgeschiedenen und Aufgestiegenen hinterließen, so Insider, demotivierte Mitarbeiter, die die Lust verloren, den Karren aus dem Dreck zu ziehen und Fehler immer auf den jeweiligen Vorgänger geschoben zu sehen. Die Zeit drängte: Die Bonner Mittel waren an Vergabejahre gebunden, und die Gnadenfrist für das ausgediente EDV-System lief ab, ebenso seine Nachfrist. Nach der „Meldedaten-Übermittlungs

Verordnung“ befindet sich das augenblickliche System im Zustande der Illegalität und wird da noch mindestens ein Jahr bleiben. „Ein rechtlich unbefriedigender Zustand“, räumt Sakuths Pressesprecher ein, „aber statt - zigtausend Mark ins alte System zu stecken, stecken wir lieber jede Mark und jede Stelle ins neue.“

Unter dem Termindruck, so Sakuth, wurde jeweils auf einen anderen erfolgversprechenden Weg ausgewichen: Erst wollte Bremen ein eigenes EDV-Sytem erfinden. Im nächsten Jahr guckte man sich mal das Duisburger System an und verwarf es. Dann versuchte man, mit Hamburg zusammenzuarbeiten. Jetzt will man wieder ein bremisches System programmieren und die Hamburger Erfahrungen nutzen.

In 1989 schließlich ergab sich folgendes Resumee: Die Programme waren zu großen Teilen ungeschrieben. Ein Termin war sowenig absehbar wie „Termin

verantwortung der Software-Entwicklung“. Immerhin hatte man inzwischen die 27 auf 12 Meldestellen reduziert, für EDV neu möbliert und Hardware ausgesucht. Aber: Bei der Personalauswahl, Mitarbeiterschulung und Umstellungsorganisation war die Arbeit seit Monaten eingestellt, Zusammenarbeit zwischen Polizeiamt, Rechenzentrum und Uni fand nicht mehr statt. Der letzte Termin - Ende 1989 - war geplatzt. Sakuth: „Das Projekt drohte sich totzulaufen.“

Mit sieben neuen Stellen soll jetzt Wind gemacht werden; der fünfte Projektleiter ist inthronisiert. Die Verantwortung liegt beim Rechenzentrum. Zumindest der „engere Dialogteil“ der Programme soll bis Ende '89 dem Datenschutzbeauftragten vorgestellt werden. Derzeit sind die praktizierten Zugriffe auf die Dateien der Meldeämter rechtswidrig.

Susanne Paa