: Rückblick auf Polen
■ Eine alleinstehende Frau, 23.25 Uhr, BR 3
Irena ist Briefträgerin und ledig. Mit ihrem kleinen Sohn lebt sie in einem winzigen Zimmer, ihr Alltag ist von großen und kleinen Problemen bestimmt: Schlangestehen, Schikanen der Nachbarn, Erziehungsprobleme, die Betreuung einer kranken Tante. Eines Tages lernt sie den Frühinvaliden Jacek kennen, von dem die politische Opposition nichts wissen will. Er ist krank und träumt von Geld und Ausreise. Auch ihre verzweifelte Liebesbeziehung hilft den beiden nicht, ihre wachsenden Probleme zu bewältigen.
In ihrem Spielfilm aus dem Jahre 1981 zeigt die polnische Regisseurin Agnieszka Holland eine Gesellschaft am Nullpunkt. Von der Kirche über Solidarnosc, Partei und Staat bis hin zur Nachbarschaft erweisen sich alle als unfähig, den Zukurzgekommenen zu einem akzeptablen Leben zu verhelfen. Inzwischen hat sich die politische Situation in Polen drastisch verändert. Die ersten freien Wahlen haben stattgefunden, die kommunistische Partei als alleinbestimmende Kraft ist abgesetzt und hat Solidarnosc den ihr zustehenden Platz eingeräumt. Die wirtschaftliche Lage Polens ist aber noch genauso katastrophal wie in der Zeit, in der diese Geschichte spielt. Im Gegensatz zu anderen kritischen Filmen entwickelt die Regisseurin keine gesellschaftliche Utopie und keine Lösung für ihre Protagonisten. Ihr Werk ist eine radikale Bestandsaufnahme, ohne Beschönigung und ohne Trost.
Holland gehört seit den 70er Jahren zu den stärksten Vertretern des polnischen Kinos. Ihre deutsche Kinoproduktion Bittere Ernte wurde 1985 als bester ausländischer Film für den „Oscar“ nominiert, ihr letzter Film über die Ermordung des polnischen Priesters Popieluszkos lief vor kurzem in unseren Kinos.
taz
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