Wolfgang Daniels nicht vom Kapital gekauft

■ Der Bundestagsabgeordnete der Grünen wehrt sich gegen Vorwürfe der Anti-AKW-Bewegung, er probe den „Schulterschluß mit dem Kapital“

Nach einer Veröffentlichung der 'Frankfurter Rundschau‘ (FR) vom vergangenen Samstag hat die Herbsttagung der Anti -AKW-Bewegung dem grünen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Daniels vorgeworfen, von der Forderung nach dem Atomausstieg abzurücken und nur noch den Abschied von der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente zu verlangen. Daniels hatte laut 'Frankfurter Rundschau‘ die direkte Endlagerung „als einzig verantwortbare Alternative“ zur Wiederaufarbeitung bezeichnet. Die Anti-AKW-Initiativen sehen darin die Übernahme sozialdemokratischer Propaganda und verlangen von den Grünen, „diese Position unverzüglich zu revidieren“. Ein wütenes Echo fanden Daniels‘ angebliche Äußerungen auch bei den niedersächsischen Grünen.

taz: Wundert Sie die Empörung der Anti-AKW-Initiativen über Ihre Äußerungen?

Wolfgang Daniels: Ich bin vor allem sehr verärgert. Denn es waren Mitarbeiter aus der grünen Bundestagsfraktion bei der Anti-AKW-Konferenz anwesend, die am Freitag auch in Bonn an der Pressekonferenz teilgenommen haben. Für sie wäre es ein Leichtes gewesen zu erklären, daß ich in der 'Frankfurter Rundschau‘ falsch zitiert worden bin. Ich habe nicht gesagt, daß die direkte Endlagerung die einzig zu verantwortende Alternative zur Wiederaufarbeitung ist.

Was haben Sie denn gesagt?

Ich habe dargestellt, wie auf der anderen Seite - also bei den AKW-Betreibern - diskutiert wird, beispielsweise daß die Wiederaufarbeitung gegenüber der direkten Endlagerung fünfmal teurer sei. Das heißt natürlich nicht, daß die Grünen oder ich persönlich das Konzept der direkten Endlagerung, wie sie jetzt vorgesehen ist, teilen. Auf absehbare Zeit gibt es keine verantwortbare Endlagermöglichkeit. Wir fordern weiter das Ende der Atommüllproduktion, also den kurzfristigen Ausstieg aus der Atomenergie.

Die ganze Aufregung geht also auf eine falsche Darstellung in der Presse zurück?

Richtig. Der Redakteur hat inzwischen zugestimmt, daß man die Aussage in seinem Artikel, wenn man will, so interpretieren kann, wie das in Saarbrücken geschehen ist. Allerdings hat es eine andere Äußerung in unserer Pressemitteilung gegeben, die in der Tat mißverständlich war. Das ist die Äußerung, daß endlich ein verantwortbares Entsorgungskonzept vorzulegen sei oder die Atomkraftwerke sofort stillgelegt werden müßten. Das kann aus dem Zusammenhang gerissen - schief interpretiert werden, als wollten wir die AKWs weiterlaufen lassen, wenn es nur ein verantwortbares Entsorgungskonzept gäbe. Das ist überhaupt nicht der Fall.

Die Reaktion der Anti-AKW-Gruppen und auch anderer Grüner auf einen mißverständlichen Pressebericht deutet nicht gerade auf ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und der Anti-AKW-Bewegung hin.

Das Verhältnis zwischen der Anti-AKW-Bewegung und den Grünen ist seit Jahren voller Spannungen. In diesem Fall hätte der anwesende Mitarbeiter der grünen Bundestagsfraktion das Mißverständnis richtigstellen müssen, um das Mißtrauen nicht noch weiter zu schüren. Wir arbeiten von Bonn aus nach wie vor sehr gut mit der Anti-AKW-Bewegung zusammen und sehen das als wichtige Aufgabe an. Es ist schon schwer erträglich, trotzdem vorgeworfen zu bekommen, vom Kapital gekauft zu sein. Es wird versucht, einen Keil zwischen die Grünen und die zu treiben, die sich manchmal als die einzigen wirklichen AKW-Gegner darstellen.

Die Auseinandersetzung darüber, ob sich AKW-Gegner an der Suche nach einem verantwortbaren Entsorgungskonzept beteiligen dürfen, ist nicht neu. Sie wurde bisher stets mit Nein beantwortet, mit dem Argument, man betreibe sonst gemeinsam mit den Betreibern das Geschäft der Absicherung der laufenden Anlagen. Ist das auch Ihre Position?

Ja, das vertrete ich nach wie vor. Und das sollte auch von der Anti-AKW-Bewegung so deutlich formuliert werden. Allerdings müssen wir im parlamentarischen Raum einen Schritt weitergehen und uns Gedanken machen über die Frage, was mit dem Atommüll geschehen kann, wenn die Kraftwerke stillgelegt sind. Die Überlegungen gehen dahin, daß die Brennelemente vorerst in den stillgelegten AKWs gelagert werden sollten. Da es wohl keine Möglichkeit gibt, den Atommüll über hunderttausende von Jahren sicher von der Biosphäre abzuschließen, muß dann ein möglichst sicherer Weg zur Lagerung oder auch zur physikalischen Umwandlung gesucht werden. Aber es darf kein weiterer Atommüll produziert werden, wenn man nicht mal weiß, wo der vorhandene Müll hin soll.

Interview: Gerd Rosenkranz