: Deutsches Geld am Kap: der aufgeklärte Weg zum Profit
Die Tochterfirmen bundesdeutscher Mittelständler agieren weiterhin streng antigewerkschaftlich - derweil wandeln die großen Konzerne ihre Strategien ■ Von Klaus Heidel
Noch vor kurzem zählte die südafrikanische Benz-Tochter zu den gewerkschaftsfeindlichsten Unternehmen am Kap. Zahlreiche Protestaktionen und Streiks der schwarzen Belegschaft hatten in den letzten Jahren zu erheblichen Produktionsausfällen geführt, und Daimlers Personalchef Gentz hielt noch im Juni vergangenen Jahres die südafrikanische Konzerntochter für „zunehmend unregierbar“.
Diese Verhältnisse bei der Mercedes-Benz of South Africa (MBSA) haben sich mittlerweile gründlich geändert, und heute gehört MBSA sogar für schwarze Gewerkschaftler zu den „fortschrittlichsten“ Unternehmen. Der mißratenen Tochter ist ein sozialpartnerschaftliches Image verpaßt worden; im Daimler-Standort East London die neue Atmosphäre bei Benz spüren.
Künftig sollen bessere Löhne und ein neues Verhältnis zur Metallgewerkschaft Numsa die „Rentabilität des Unternehmens“ gewährleisten, wie es in dem neuen „Recognition Agreement“ heißt, das MBSA und Numsa im Juli dieses Jahres unterzeichnet haben. Mit dem Abkommen, das auch Mindeststandards umfaßt, erfüllte Daimler-Benz als erstes bundesdeutsches Unternehmen wichtige gewerkschaftliche Forderungen.
Zu dem Wandel gehört auch ein Wechsel an der Spitze von MBSA: Seit April wird die südafrikanische Daimler-Tochter vom 41jährigen deutschstämmigen Christoph Köpke geführt, der dem Unternehmen im Eiltempo den neuen Stil und neue Personalmanager verordnete: Anstelle des zynischen Wally Gardiner sitzt seit dem 1.Juli mit Richard Mason ein freundlicher älterer Herr als Human Relation Director in Pretoria. In East London ersetzte Anfang April der smarte junge Jurist Luis Vermaak den bisherigen Industrial Relation Manager Swanepoel, der als militantes Mitglied des geheimen burischen „Bruderbundes“ bei der schwarzen Belegschaft besonders verhaßt war.
Und der Managing Director von Daimler-Benz East London, Günter Kamuf, der noch vor drei Jahren seinen Besuchern rassistische Witze erzählte, marschierte Ende September an der Spitze einer Großdemonstration gegen Apartheid in East London mit.
Dieses neue Management formuliert als Zielvorgabe den Abbau jeder rassischen Diskriminierung im Unternehmen. MBSA-Chef Köpke will künftig einen hohen Anteil Schwarzer im oberen Angestelltenbereich, und selbst im Management sollten in nicht allzuferner Zukunft Schwarze vertreten sein. Man wollte, so die Begründung, auch noch in einem Südafrika ohne Apartheid produzieren.
Ausdruck dieser neuen Unternehmenspolitik war eine viertägige Klausurtagung Mitte September, bei der die Unternehmensleitung von MBSA unter der Führung eines renomierten und als Apartheidsgegner bekannten Arbeitsjuristen erstmals vertrauensbildende Gespräche mit den shop stewards aus East London geführt hat. In einem Abkommen verpflichten sich MBSA und Numsa, solche Gespräche fortzusetzen. Zugleich bot Daimler die Wiedereinstellung von 17 Arbeitern an, die im letzten Dezember wegen eines Solidaritätsstreikes mit den Beschäftigten des Zulieferunternehmens Kromberg & Schubert entlassen worden waren.
Allerdings deutet ausgerechnet der neue Hausvertrag vom 17.Juli die Grenzen der Verhandlungsbereitschaft des Unternehmens an, wird doch der Geltungsbereich des Agreements gleich im ersten Paragraphen auf das Werk in East London beschränkt. Für die rund zehn Prozent der Stundenlohnempfänger von MBSA aber, die bei den kleinen Daimler-Töchtern in Johannesburg und Pinetown und in den verschiedenen Vertriebsstellen arbeiten, gilt es (zunächst) nicht. Noch müssen sie sich mit schlechteren Arbeitsbedingungen und niedrigeren Löhnen als in East London begnügen: Daimler-Benz scheint den gewerkschaftlichen Forderungen nur soweit entgegengekommen zu sein, wie es Unternehmensinteressen und gewerkschaftliche Verhandlungsmacht verlangen.
Und so ist selbstverständlich selbst bei MBSA noch lange nicht alles in bester Ordnung, wie auch ein Blick auf die Lohnverhältnisse zeigt: Zwar gehört Daimler-Benz (nach Toyota, dem Süßigkeiten-Hersteller Cadbury und VW) zu den vier Unternehmen mit den höchsten Durchschnittslöhnen in Südafrika, doch noch immer verdient die Mehrzahl der schwarzen Arbeiter weniger als sechs Rand in der Stunde. Nach Ansicht der Metallgewerkschaft Numsa aber ist ein Mindestlohn von 6 Rand 58 die Voraussetzung für ein ausreichendes Einkommen.
Nach wie vor sind außerdem rund drei Viertel der Facharbeiter Weiße: Nur 1,7 Prozent aller schwarzen Stundenlöhner aber schaffte den Sprung in die Facharbeiterlohngruppen. So beklagen sich viele Arbeiter über fehlende Aufstiegschancen und ungerechte Eingruppierungen. Unverändert katastrophal sind nicht zuletzt die Wohnbedingungen der schwarzen Arbeiter, die ein stärkeres Engagement des Unternehmens fordern - was MBSA, wie aus der Vorstandsetage zu hören war, künftig auch tun will.
Trotz aller Veränderungen sind somit die schwarzen Arbeiter keinesfalls mit ihren Arbeits- und Lohnverhältnissen zufrieden, haben doch auch alle innerbetrieblichen Wandlungen ihre selbstverständlichen Grenzen an den Interessen des Unternehmens. Vor allem aber muß das neue Image von MBSA relativiert werden, weil das Unternehmen unverändert durch sein außerbetriebliches Verhalten Apartheidsstrukturen faktisch unterstützt: Die mittelbaren und unmittelbaren Daimler-Lieferungen an Militär und Polizei gehen weiter, und MBSA beteiligt sich an den staatlichen Programmen zur Verbesserung der Lebens- und Wohnverhältnisse in den Townships. Diese Programme sind aber Teile eines Systems von über 500 kommunalen „Joint Management Centres“, die unter der Leitung des rassistischen Staatssicherheitsrates stehen und mit ihren Abteilungen für Planung, „Information“ und Repression ein engmaschiges Netz moderner Unterdrückung über das Land gelegt haben.
Deshalb fordern die schwarzen Arbeiter, daß die Unternehmen außerbetriebliche Sozialmaßnahmen unabhängig von diesen staatlichen Programmen durchführen sollen. Doch dazu ist bisher lediglich VW, nicht aber MBSA bereit.
Doch trotz aller Fragezeichen unterscheidet sich mittlerweile das Verhalten von Unternehmen wie Daimler-Benz deutlich von demjenigen des größten Teiles der kleinen und mittleren Unternehmen bundesdeutscher Herkunft. Dies gilt nicht zuletzt im Blick auf die Zulieferer der großen Automobilkonzerne, die mehrheitlich nach wie vor versuchen, mit einer äußerst repressiven Unternehmenspolitik ihre Profite zu sichern.
Für die miserablen Verhältnisse bei vielen Zulieferunternehmen sind aber auch die um ein fortschrittliches Image bemühten Großunternehmen wie Daimler -Benz mitverantwortlich: Geben sie doch - ausgestattet mit erheblicher Nachfragemacht - ihren Preisdruck an die Zulieferer weiter, die sich dann in der Regel nur durch ihr arbeitnehmerfeindliches Verhalten zur Gewährleistung niedriger Stückkosten in der Lage sehen: Die Rechnungen aber für den Preiskampf müssen in Südafrika wie anderswo die Beschäftigten bezahlen, unabhängig davon, welchen Weg zur Sicherung der Profite die Unternehmen wählen müssen.
Der Autor ist Mitarbeiter der „Werkstatt Ökonomie“ in Heidelberg
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