: „Ausgelogenes“ Gen-Gesetz
Bundesregierung will beim Gentechnik-Gesetz auf die Kritik von Umweltverbänden und Bundesländern eingehen / Im Gegenzug wird die Industrie üppig entschädigt / Nach Urteil gegen Hoechst fordert CDU Eile ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Die Bundesregierung ist gestern der massiven Kritik der Bundesländer an ihrem Gesetzentwurf für die Gentechnik mit einigen Verbesserungen und Zugeständnissen begegnet. Wichtigster Punkt: Die Öffentlichkeit soll nun an allen Genehmigungsverfahren beteiligt werden; nicht nur - wie bislang vorgesehen - an den Genehmigungen für Experimente der hochgefährlichen Stufen 3 und 4. Pferdefuß allerdings: Wissenschaftliche Genlabore - in denen gerade die Experimente mit dem größten Gefahrenpotential durchgeführt werden - sollen dafür ganz aus der Öffentlichkeitsbeteiligung herausfallen. Außerdem wird die Industrie für die „Zumutung“ einer Öffentlichkeitsbeteiligung im Gegenzug üppig beschenkt: Für gentechnische Arbeiten der Sicherheitsstufe 3 sollen Anlagen nur noch in ihrer Gesamtheit genehmigt werden; die bislang vorgesehene Genehmigung jedes einzelnen Produktions- oder Versuchsvorhabens entfällt.
Dieses produktionsunabhängige Verfahren hat für die Unternehmen erhebliche Vorteile: Betriebsgeheimnisse und Patentideen brauchen nicht mehr auf den Tisch der Genehmigungsbehörde gelegt werden, spätere Experimente kann man dann ganz im stillen Kämmerchen machen. „Das ist schlimmer als das bisherige Konzept“, stöhnte denn auch der SPD-Genspezialist Joachim Spangenberg über diese „Ausgelogenheit“.
Abgelehnt wurde auch, die Genehmigung ausschließlich zur Ländersache zu machen und das Bundesgesundheitsamt außen vor zu lassen. Eine detaillierte Antwort auf die über 200 Änderungsvorschläge der Bundesländer ersparte sich die Bundesregierung, schließlich muß der Gesetzentwurf sowieso noch seinen parlamentarischen Gang gehen. Die CDU machte deutlich, daß sie eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes will. Hintergrund für diese Eile ist auch das brandaktuelle Urteil des hessischen Verwaltungsgerichts gegen die Firma Hoechst, das die Produktion gentechnisch hergestellten Insulins wegen fehlender Rechtsvorschriften untersagt hatte. Der SPD-Abgeordnete und Vorsitzende des Forschungsausschusses des Bundestages Michael Catenhusen nannte die Regierungsantwort „unzureichend und fehlerhaft“. Das Gesetz ziele nicht auf einen Schutz vor den Gefahren, sondern sei eines, das „die Förderung der Gentechnologie gesetzlich vorschreibt“. Catenhusen kritisierte u.a. die „unzureichenden“ Haftungsrechte. „Politisch falsch“ wäre es allerdings, das Urteil des Kasseler Verwaltungsgerichts gegen Hoechst für einen generellen Stopp der Gentechnologie „auszuschlachten“. In bestimmten Bereichen sei die Genforschung unverzichtbar.
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